Digitale Medizin – Status Quo und Zukunftsvisionen

Shownotes

EHealth Apps, Telemedizin und Tabletten aus dem 3D-Drucker, künstliche Intelligenz in Diagnostik und Therapie – die Digitalisierung des Gesundheitswesens eröffnet nicht nur neue Möglichkeiten einer personalisierten Medizin, sie revolutioniert auch die Art und Weise, wie Patientinnen und Patienten, Ärzteschaft, Apotheken, Krankenhäuser und Versicherungen interagieren.

Der Gesundheitsmarkt öffnet sich auch für mittelständische Unternehmen und Start-ups, die mit spezialisierten Lösungen Gesundheitsakteure miteinander vernetzen, digitale Gesundheitsservices anbieten oder mit datenbasierten Tools präzisere Diagnosen ermöglichen. Nicht zuletzt bieten digitale Lösungen auch vielen Akteuren – wie Arztpraxen oder Apotheken – die Chance, eigene Prozess zu optimieren und auf die sich ändernden Rahmenparameter angepasste Dienstleistungen zu entwickeln. Welche Rolle der Mittelstand im Gesundheitssektor der Zukunft spielt, diskutieren wir mit der Digital Health Visionärin Inga Bergen und Prof. Dr. Bernhard Breil, Professor für Gesundheitsinformatik an der Hochschule Niederrhein.

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Wie gelingt die Digitalisierung? Wie werden aus Krisen Chancen? Und wie können Unternehmen in digitale Innovationen investieren? Kompetente Antworten, Inspiration und Expertenwissen gibt es bei Zukunft:digital – einem Podcast der KfW-Bankengruppe.

HT Digitalisierung gilt als Innovationstreiber im Gesundheitswesen. Welches Potenzial steckt in digitalen Technologien für die Medizin, also für Forschung, Diagnostik und Therapie, aber auch für unser Gesundheitssystem und seine Akteure? Wie können Ärzte, Apotheken und Pflegedienstleister von digitalen Technologien profitieren? Und welche Möglichkeiten gibt es für mittelständische Unternehmen oder Start-ups, sich auf dem Gesundheitsmarkt der Zukunft zu etablieren? Das diskutiere ich mit einer Expertin und einem Experten aus dem Bereich Digital Health. Ich bin Holger Thurm und freue mich, dass Sie dabei sind.

HT Ich begrüße die Digital Health Visionärin und Unternehmerin Inga Bergen, Expertin für human zentrierte Digitalisierung und Innovation im Gesundheitswesen. Das Business Punk Magazin rechnet Sie sogar zu den Top Ten Deutschen im Bereich Health and Science. Herzlich willkommen Frau Bergen!

IB Ja, guten Morgen! Ich freue mich, dass ich dabei sein kann.

HT Und hallo auch an Prof. Dr. Bernhard Breil, Professor für Gesundheitsinformatik an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. In Ihrer Forschung, aber auch als Autor und Redner, konzentrieren Sie sich auf die Schnittstelle zwischen Mensch und IT, die Akzeptanz von eHealth-Anwendungen und die Vernetzung von medizinischen Informationssystemen. Ich freue mich auch, dass Sie mit dabei sind!

BB Ja, die Freude ist auch ganz auf meiner Seite. Guten Morgen auch von mir!

HT Beide sind Sie außerdem selbst erfahrene Podcaster in „Visionäre der Gesundheit“ und im „eHealth-Podcast“. Ich freue mich, dass Sie heute die Seiten wechseln und uns als Gäste Rede und Antwort stehen. Sehr schön!

IB Ja, ich freue mich auch schon sehr, Gast in Podcasts zu sein wie diesem und das akkumulierte Wissen mal zu teilen, was ich so generieren darf.

BB Und ich freue mich, vor allem aufgrund der wenigen Nachbearbeitung, dass ich mal nicht derjenige bin, der das Ganze noch schneiden muss, sondern einfach nur das Wissen zum Besten geben.

HT Ja, das nehme ich Ihnen dieses Mal ab. Rollentausch für Sie also. Herzlich willkommen! Wir wollen über Digitalisierung in der Medizin und im Gesundheitswesen sprechen. Bei digitalen Technologien in der Medizin denken wir heute vielleicht an Videosprechstunden oder Roboter am OP-Tisch, künstliche Intelligenz, die Krankheiten erkennt, oder auch Drohnen, die Medikamente bringen. Einiges davon ist ja durchaus Realität heute. Einiges allerdings ist noch Zukunftsmusik. Beleuchten wir zunächst den Ist-Zustand. Vielleicht zunächst Sie, Frau Bergen, wie digital ist unser Gesundheitswesen heute? Woran „krankt“ es im wörtlichen Sinne?

IB Ja, schöne Beispiele haben Sie gerade genannt. Diese Beispiele wie eine digitale Diagnostik oder auch Drohnen, Robotik – das sind alles Dinge, die schon im Einsatz sind. Aber die sind eigentlich ja die Potenziale der nächsten Generation. Wir stehen in Deutschland gerade vor der großen Herausforderung, das Gesundheitswesen zu digitalisieren. Und das heißt in erster Linie ganz plakativ ausgedrückt: vom Faxgerät wegzukommen und die Stakeholder im Gesundheitswesen, also alle Beteiligten, seien es die sogenannten Leistungserbringer wie Ärztinnen, Ärzte, Krankenhäuser, aber auch sonstige therapeutische Leistungserbringer, Patientinnen und Patienten, die Krankenversicherer, all diese Akteure, ja und auch die Apotheken zum Beispiel, zu verbinden mit digitalen Tools. Und wir haben in der letzten Legislaturperiode da eine sehr pragmatische Weiterentwicklung gesehen. Also es gab jede Menge Gesetze. Wir haben in Deutschland Apps auf Rezept. Das eRezept kommt jetzt. Telemedizin ist legal und kann ja wirklich genutzt werden. Und es gab eine Menge, ja, Veränderung, die sich jetzt im Gesundheitssystem praktisch übersetzen muss. Und das ist die Herausforderung, vor der wir gerade stehen, wirklich die Grundlagen der Digitalisierung zu schaffen.

HT Ja, Herr Professor Breil, wie beurteilen Sie den Status quo?

BB Ja, ich kann dem von Frau Bergen eigentlich nur zustimmen. Also vor allem die Koordinierung von Akteuren im Gesundheitswesen, da sehe ich einen großes Entwicklungspotenzial. Daran, ja, krankt sozusagen unser derzeitiges Gesundheitssystem. Wir haben viele gute Akteure, die an unterschiedlichen Stellen tolle Arbeit machen, aber auch aus Patientensicht die entsprechende Koordinierung aller Gesamtaktionen, das ist etwas, wo man gerade durch Digitalisierung glaube ich noch viel Potenzial heben kann. Und in diesem Zusammenhang, muss man auch einfach sagen, kommt dem Patienten nochmal eine ganz andere Rolle zu, dass er mehr aktiver Handlungsträger wird, also Stichwort Patient Empowerment. Dass er durch digitale Komponenten, durch entsprechende Apps vielleicht in diesen Behandlungsprozess noch intensiver eingebunden wird und nicht nur das Objekt ist, mit dem irgendetwas gemacht wird und das irgendwie durchs gesamte Gesundheitssystem geschleust wird, sondern dass ich als Patientin, als Patient eine aktive Rolle einnehme, selber merke, wo stehe ich mit meiner Gesundheit? Welche Informationen benötige ich? Welche Informationen möchte ich auch an jemanden anderes weitergeben? Und da können wir glaube ich mit digitalen Technologien noch eine Menge Potenzial schöpfen.

HT Jetzt richtet sich dieser Podcast ja auch vornehmlich an mittelständische Unternehmen. Wir können zum einen natürlich die Akteure des Gesundheitssystems selbst beleuchten. Wir möchten aber auch Einblicke geben, wie sich denn beispielsweise kleine und mittelständische Unternehmen, Start-ups in diesem Gesundheitsmarkt positionieren können. Wie stehen denn die Chancen für die alten, etablierten und für die neuen Player, sich an diesem Markt zu positionieren?

IB Ja, ich antworte sehr gerne darauf. Ich habe ja mehrere Start-ups aufgebaut, auch auf den Markt gebracht. Und die Chance liegt darin, dass wir uns in einer gigantischen Transformation des Gesundheitswesens befinden und dass ja so die tradierten Player im Gesundheitswesen oft vor der Herausforderung stehen, dass sie ihr eigenes Geschäftsmodell ganz grundlegend verändern und überdenken müssen. Und hier ist die Chance für, ja, kleine, mittelständische Unternehmen, aber auch Start-ups, die neu in diesen Bereich gehen oder die mit weniger, ja, großen Strukturen zu tun haben. Deswegen sehen wir in den verschiedensten Bereichen ja die Ausrichtung hin zum Patienten. Da sehen wir jede Menge Start-ups. Ein Beispiel sind die sogenannten „DiGas“, die digitalen Gesundheitsanwendungen, Apps auf Rezept. Da finde ich sehr, sehr spannend, dass die meisten Apps auf Rezept tatsächlich von ganz jungen Unternehmen kommen. Also es gibt sehr viel Potenzial für junge Unternehmen.

BB Ja, dann schließe ich einfach da mal an. Und ich glaube, für die etablierten Unternehmen ist es wichtig, dass man jetzt diese Schnittstelle zu diesen neuen Anwendungen findet, dass man jetzt nicht sagt „Ich bin ein großer Monolith und ich habe meine Kundschaft und es bleibt alles beim Alten!“ Sondern dass man sagt: „Wir haben unseren Kundenstamm. Und wir haben eine sehr gute Lösung im Bereich der stationären Versorgung, im Bereich der ambulanten Versorgung. Und jetzt müssen wir den nächsten Schritt machen und uns öffnen für diese neuen Firmen, für die neuen Start-ups, für die neuen Unternehmen. Da gibt es tolle Apps für den Patienten. Da gibt es tolle Apps für die Leistungserbringer.“ Und da ist einfach wichtig, dass man die Verbindung schafft zwischen den etablierten Systemen und den neuen Gesundheits-Apps. Dass ich eben nicht nur eine App habe, die für sich genommen wahnsinnig gut funktioniert, sondern dass ich diese Daten, sei es jetzt eine dieser digitalen Gesundheitsanwendungen Richtung Angststörungen und Depressionen oder so, dass ich diese Daten eben auch an das Krankenhausinformationssystem, an meinem Hausarzt, an die Hausarztpraxis und so weiter übertragen kann.

HT Ich würde gerne mal den ambulanten Bereich, also insbesondere Arztpraxen, aber vielleicht rechnen wir Apotheken auch dazu oder mobile Pflegedienstleister beleuchten. Wie sieht die Situation da aus?

BB Also wir haben erstmal im ambulanten Bereich so eine Spezial-Situation, dass wir eigentlich eine Marktsättigung von 100 Prozent haben. Wir haben also keine Arztpraxis ohne Arztpraxisinformationssystem, allein aufgrund der Abrechnung. Aber jetzt kommt eben der nächste Schritt über die Telematikinfrastruktur, die Vernetzung der verschiedenen Akteure. Und da besteht eben auch die Andockmöglichkeit für weitere Firmen, für KMUs, die sagen Okay, ich biete einen Mehrwert auf dieser Datenautobahn Telematikinfrastruktur an, einen Dienst, mit dem ich dann bestimmte Dinge erledigen kann. Und eine Geschichte ist beispielsweise die Terminfindung und Terminbuchung, die jetzt schon darauf laufen.

IB Und die große Herausforderung für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland ist, mit diesen technischen Anforderungen, die jetzt quasi on top auf das tägliche Geschäft kommen, klarzukommen. Und das ist gar nicht so einfach, weil wir in Deutschland ja sehr viele in Anführungsstrichen „Einzelunternehmer“-Ärztinnen und -Ärzte haben, die wirklich, ja, alleine so eine Art „eierlegende Wollmilchsau“ sind, ihre Praxis führen, also unternehmerisch tätig sein müssen, aber eben natürlich auch die ganze ärztliche Seite abdecken müssen. Und jetzt kommt noch die Digitalisierung hinzu. Und der Gesetzgeber hat sich entschieden, hier mit einem Druckmittel zu arbeiten, das heißt, mit Strafen zu arbeiten, wenn sich diese Praxen nicht digitalisieren. Und das ist natürlich ein bisschen schwierig. Aber nichtsdestotrotz ist hier glaube ich ein Faktor, der nicht zu unterschätzen ist, diese, ja, Leistungserbringer im System dabei zu unterstützen, mit der Digitalisierung klarzukommen. Das heißt also, die Angebote, die wir in der Vergangenheit gesehen haben im Gesundheitswesen, die haben selten wirklich verstanden, okay, wie ist so eine User Journey, wie geht da jemand wirklich durch? Wie muss man das konzipieren, damit es medizinisches Fachpersonal zum Beispiel auch versteht? Und hier ist glaube ich ein Riesenpotenzial, wirklich nutzerzentrierte, gute Servicequalität zu bieten und diesen Akteuren zu helfen, mit der Digitalisierung auch klarzukommen und die Anforderungen zu erfüllen.

HT Das heißt, die Praxisverwaltungs- oder Assistenzsysteme, die jetzt schon im Einsatz sind, werden quasi ausgeweitet und richten sich mehr auf den Patienten aus. Habe ich Sie da richtig verstanden?

IB Ja, das ist eine Entwicklung. Also es gibt interessante Ansätze von jungen Unternehmen, die zum Beispiel neue Praxisketten aufbauen oder die Infrastruktur für Ärztinnen und Ärzte bieten, die wirklich schauen, dass von der Terminbuchung über die Anamnese bis hin zur Informationsbereitstellung vor und nach dem Arztgespräch und dann die Begleitung der Patientinnen und Patienten durch ihre Therapie zum Beispiel, dass diese Prozesskette komplett digital abgebildet wird, so dass die Patientinnen und Patienten supergut vorbereitet schon in die Arztpraxis kommen und auch gut vorbereitet wieder gehen. Und dass sich quasi diese Schnittstelle auch in der Software dann abbildet.

BB Ein wichtiger Aspekt in diesem Bereich ist ja auch die schon angesprochene Akzeptanz dieser Lösung. Und die muss ich eben von zwei Seiten denken, einmal von der Seite der Patientinnen und Patienten und einmal von der Seite der Leistungserbringer. Und wenn man so Akzeptanz mal herunterbrechen möchte auf die beiden wesentlichen Elemente, dann sind das eigentlich die Leistungserwartung und die Aufwandserwartung. Das heißt, was habe ich da für einen Vorteil davon, wenn ich so eine digitale Anwendung habe? Und wie hoch ist der Aufwand, den ich reinstecken muss, damit ich diesen Vorteil auch genießen kann? Und ich glaube, bei den Seiten der Leistungserbringer ist es so, dass ich durch diese digitalen Anwendungen zusätzliche Chancen habe. Ich kann mein potenzielles Klientel erweitern oder ich freue mich, dass bestimmte Daten integriert werden können. Ich muss das nicht abtippen. Ich muss das nicht einscannen, sondern ich kann Daten aus einer elektronischen Patientenakte oder aus einer bestimmten App vielleicht übernehmen. Und auf Patientenseite freue ich mich, dass ich mich im Vorfeld im Sinne der Patient Journey schon zu Hause mit bestimmten Themen beschäftigen kann, und muss nicht unter Drucksituation in der Praxis, im Krankenhaus mit irgendwelchen langen Einwilligungserklärungen oder komplizierten Methoden konfrontiert werden, sondern kann mich in Ruhe einlesen, kann was nachschlagen, kann mich selber informieren, kann vielleicht jemanden zu Rate ziehen in der Familie, Freunde, die ich mit reinhole und mit denen gemeinsam vielleicht Dinge vorbereite, durchspreche. Und ich glaube, das ist ein wesentliches Element auch dieses Patient Empowerments, das den Patienten in den Mittelpunkt rückt und zu einem Akteur auch macht.

HT Ja, dann sprechen wir jetzt mal über jene, um die sich das ganze System ja eigentlich dreht, nämlich die Patienten. Was ist vom jetzigen Grad der Digitalisierung denn schon bei den Patienten angekommen? Also Gesundheits-Apps, Fitness Tracker oder Sensoren für den Blutzuckerspiegel, das sind ja jetzt wahrscheinlich nur die Anfänge. Also wo geht es hin? Wie kann die Patient Journey der Zukunft denn aussehen?

IB Ja, das ist eine wunderbare Frage. Wie kann die Patient Journey der Zukunft aussehen? Wir sehen ja Gesundheit als einen Megatrend der letzten Jahre und auch der kommenden Jahre. Das heißt, das Thema Gesundheit wird in unserer Gesellschaft immer wichtiger. Und auch der Anteil an Ausgaben der Privathaushalte im Kontext Gesundheit nimmt wirklich stetig zu – und das global, aber auch in Deutschland. Das heißt, die eigene Gesundheit ist ein Thema, was durchaus, ja, in den Mittelpunkt rückt, auch wenn wir von einer Zweiteilung der Gesellschaft sprechen können. Die Seite, die wirklich aktiv an der Gesundheit arbeitet, ist auch bereit, sehr viel Geld dafür auszugeben und hat auch entsprechende Anforderungen an die Leistungserbringer im System. Und da spricht man gerne von der Amazon Experience. Ja und dann haben wir natürlich die ganzen Gesundheitsdaten, die wir permanent erheben über unsere Smartphones, Wearables et cetera. Das heißt, wir alle erheben diese Gesundheitsdaten, haben aber im System noch wenig Möglichkeiten, das auch abzubilden. Das heißt, wenn ich mit meiner Apple Watch oder meinem Fitbit mit den Daten zum Arzt gehe, dann gibt es dafür nicht so wirklich eine Abrechnungsziffer. Und der Arzt oder die Ärztin weiß nicht so genau, was ist damit anzufangen? Und hier kommen die digitalen Gesundheitsanwendungen zum Beispiel ins Spiel, die Apps auf Rezept. Und da sehen wir auch, dass die zum Großteil von Patientinnen und Patienten nachgefragt werden. Das heißt, dass der Treiber hier Patientinnen und Patienten sind, die ja wirklich etwas für ihre Gesundheit tun wollen. Und ein abschließender Satz: Also ich bin ja sehr viel im Gesundheitswesen unterwegs, spreche mit Ärzten. Und da kommt dann manchmal die Aussage: Es ist ein Drama, wenn die Patientinnen und Patienten in die Praxis kommen und schon gegoogelt haben. Aber das ist etwas, was natürlich nicht mehr weggeht, sondern das ist etwas, was wir einfach in die Patient Journey jetzt integrieren müssen.

BB Ja genau. Also der nächste Schritt ist dann wirklich, mehr diese telemedizinischen Leistungen in Anspruch zu nehmen, dass ich wirklich ärztliche Leistungen – und da gibt es ja auch schon verschiedene Beispiele im Bereich Hauterkrankungen, Geschlechtserkrankungen –, dass ich da sage, dann möchte ich vielleicht gar nicht in die Praxis gehen, sondern da reicht es mir, weil das wahrscheinlich auch nichts ganz Ernstes ist, wenn irgendjemand eine Zweitmeinung digital mir dazu gibt und eine fachliche Expertise mir bereitstellt. Und dann komme ich damit schon alleine klar. Oder direkt ein digitales Rezept ausstellt, dann hole ich entsprechend die eine Salbe, die ich da brauche. Vielleicht ist das eine Erkrankung, die ich schon seit längerer Zeit habe. Und dann ist es damit auch erledigt. Dafür muss ich gar nicht dieses Gesundheitssystem in der Weise belasten, dass ich in eine Arztpraxis gehe, sondern das könnte in einer digitalen Interaktion sein. Videosprechstunde ist schon in einigen Bereichen etabliert, aber vielleicht auch sogar ohne Videosprechstunde, sondern dass ich sage: Ich schicke irgendwie vielleicht ein Foto von meinen Erkrankungen. Und dann gibt es dazu eine entsprechende Diagnostik. Oder ich schicke eine konkrete Anfrage mit einem Text, dass ich sage … oder eine Sprachnachricht: „Das und das beschäftigt mich gerade. Ich hab die und die Symptome.“ Ich glaube, das sind Dinge, die jetzt nach und nach immer mehr ausgebaut werden. Erste Anwendungen und Beispiele dafür gibt's und das wird weiter kommen.

HT eHealth-Apps: Herr Prof. Breil, Sie beschäftigen sich ja mit der Schnittstelle Mensch und IT und auch mit Akzeptanzfragen. Wie werden denn eHealth-Produkte der Zukunft dann auch aussehen müssen, wenn ich sie zum Beispiel als mittelständisches Unternehmen konzipieren möchte?

BB Also auch da gilt natürlich dasselbe, die Leistungserwartung. Es muss mir einen Vorteil bringen. Und dieser Vorteil ist vor allem dann da, wenn ich einen Bedarf habe. Das könnte ein medizinischer Bedarf sein. Also jemand mit einer chronischen Erkrankung, der da viel Aufwand betreiben muss, diese Erkrankung zu managen, der hat natürlich einen viel größeren Bedarf als irgendjemand, der einmal im Jahr zum Zahnarzt muss und einen Routinetermin vereinbaren muss. Diesen einen Anruf, den kriegt man vielleicht auch noch so hin. Wenn ich aber tagtäglich aufgrund von Vorerkrankungen, Dauerdiagnosen, Risikofaktoren, mich mit meiner Gesundheit beschäftigen muss, dann ist der Bedarf viel höher und auch die Akzeptanzschwelle natürlich eine ganz andere. Und der zweite Teil ist eben vor allem der Bereich der Aufwandserwartung. Also wie viel Zeit muss ich da reinstecken? Ist das etwas, was intuitiv bedienbar ist, was ich vom Prozess her kenne? Oder ist das etwas, wo ich sehr viel Zeit reinstecken muss, mich an diese Dinge zu gewöhnen, wo ich viel lernen muss, wo ich mich erstmal durch zig Anleitungen kämpfen muss? An der Stelle bin ich raus, wenn das nicht von Anfang an funktioniert, einen guten Gesamteindruck hat, also nicht nur eine schöne Usability, sondern auch dieses User Experience, also das Erlebnis als Benutzer. Wenn das nicht vorhanden ist, dann bringt mir das alles nichts, selbst wenn da eine tolle Leistung dahintersteckt.

IB Ja, ich würde das gerne ergänzen, denn ich denke, dass ein großer Bestandteil auch ist, wirklich die Patient Journey zu verstehen, wenn man Angebote entwickelt. Ich habe selbst, weiß ich nicht, 150 Softwareprodukte im Bereich Gesundheit gebaut mit einer meiner Firmen. Was mir da aufgegangen ist, ist dass so rein digitale Lösungen, die wirklich nicht connected sind mit irgendeiner zwischenmenschlichen Interaktion, die sind tatsächlich schwierig. Die eignen sich für einen sehr begrenzten Teil von Menschen. Und richtig erfolgreiche Anbieter, die Patientinnen und Patienten unterstützen bei ihrer Therapie oder Diagnose, die schaffen das wirklich, ein digitales Angebot in das System einzubinden und irgendwo auch eine Übergabe hinzubekommen zu einer realen zwischenmenschlichen Interaktion. Die kann per Telefon sein. Die kann per Videotelefonie sein. Die kann aber auch in der Praxis oder im Krankenhaus stattfinden. Aber diese Integration, die ist extrem wichtig. Und wenn wir mal in den Bereich, ja, Gesundheit und Fitness gucken – das finde ich ist immer ein sehr, sehr interessanter Impulsgeber –, dann haben wir da Angebote, die eine Retension, also eine Wiederkehr-Quote von Kunden von über 80 Prozent haben, die sehr stark mit Community-Elementen zum Beispiel arbeiten und die damit arbeiten, eine Art, ja, Bewegung zu schaffen, also Menschen miteinander zu verbinden. Und bei aller Digitalverliebtheit, die ich auch teile, sollte man diese Aspekte im Gesundheitswesen absolut nicht außer Acht lassen. Deswegen: Man muss Nutzerinnen und Nutzer einbinden, nicht nur befragen, weil die das häufig nicht antizipieren können, sondern auch wirklich beobachten: Was machen die? Was sind deren wirkliche Motive? Und das verstehen, um gute Angebote zu entwickeln.

HT Frau Bergen, Sie hatten Gesundheitsförderung und Fitness erwähnt. Sollten zum Beispiel eHealth-Anwendungen der Zukunft auch mehr in diesen Bereich gehen, weil wir haben ja jetzt momentan ein Gesundheitssystem, das im Grunde genommen davon lebt, dass Menschen krank sind. Könnte da eHealth in Zukunft einen Paradigmenwechsel herbeiführen?

IB Also ja, das Interessante ist, wenn wir mal auf so eine Metaebene zoomen, dass eHealth ja ermöglicht, dass wir Daten erheben und zwar jede Menge Daten und auch aus diesen Daten dann Rückschlüsse ziehen können auf die Gesundheit oder auch auf Krankheit. Das heißt, Digitalisierung ermöglicht uns wirklich auf einer individuellen Ebene, zu verstehen, was passiert da? Und wie kann man vielleicht auch diesen Menschen helfen? Das heißt, der individuelle Mensch, der rückt viel, viel mehr, viel stärker in den Fokus. Und auf die Bedürfnisse des individuellen Menschen kann auch sehr viel mehr Bezug genommen werden. Auf der anderen Seite, in Richtung der pharmazeutischen Industrie, verstehen wir bis hin zur, ja, zur Zellebene oder zur molekularen Ebene verstehen wir individuelle Krankheitsverläufe sehr viel besser. Und auch da gibt es schon erste Ansätze für wirklich personalisierte Medizin, die wirklich auf die individuelle Ebene geht. Und diese beiden Entwicklungen, die kommen zusammen. Und das ist auch etwas übrigens, wo sich die großen Unternehmen im System auch, insbesondere die Pharmaindustrie gerade darauf einstellt, dass es irgendwann dazu kommen wird, dass das Gesundheitswesen an Prävention ausgerichtet wird, insbesondere bei den großen lebensstilabhängigen chronischen Erkrankungen. Das sind einige Krebsarten, aber auch so etwas wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Insuffizienz. Also Digitalisierung bietet sehr viel mehr Möglichkeiten, als nur zu sagen: „Du musst Dich mehr bewegen und gesünder essen!“ Wo Menschen dann mit allein gelassen werden und eigentlich nicht wissen, was das genau bedeutet. Und hier kommen dann wirklich so Companion-Apps oder digitale Lösungen ins Spiel, die da unterstützen können.

HT Wie sähe denn idealiter die Interaktion zwischen Patientinnen und Patienten und Arztpraxen, Apotheken, Pflegedienstleistern aus – je nach Bedarf und je nach Vernetzungsgrad?

BB Also die ideale Lösung wäre sicherlich eine Verbindung dieser Systeme über die Telematikinfrastruktur, über eine elektronische Patientenakte, wo der Patient oder die Patientin steuern kann, wer auf diese Informationen zugreifen kann, und ich im Vorfeld diese Patient Journey sozusagen zuhause beginne. Ich habe irgendwelche Symptome, und ich fange vielleicht schon an, danach zu suchen. Und das mache ich jetzt nicht mit Google, sondern vielleicht mit einer entsprechenden medizinischen Suche, die mich schon leitet, die mir vielleicht irgendwelche Hilfsfragen stellt. Dann kann ich mich selber schon informieren, kann dann vielleicht damit in den Kontakt gehen, diese Information, die ich im Vorfeld zusammengetragen habe, vielleicht auch dann eben an Gesundheitsdaten, also was meine Uhr mitgeliefert hat, was mein Schrittzähler mitgeliefert hat, und dass sich mit diesen Daten dann einen digitalen Erstkontakt in der Arztpraxis vielleicht habe, vielleicht nicht mal vor Ort, sondern erstmal digital. Soll ich damit vorbeikommen? Oder kann man aufgrund dieser Daten schon vielleicht eine erste Diagnose treffen oder eine erste Vorgehensweise klären? Da spielt natürlich auch eine ganz wichtige Rolle: Welche Qualität haben diese Daten? Und wie wurden die erhoben? Frau Bergen hat es erwähnt, man kann da Richtung personalisierte Medizin wahnsinnig viel machen, auch individualisierte Therapieempfehlungen, Diagnostik betreiben. Aber wenn ich am Anfang dieser Geschichte Daten habe, die nicht valide erhoben sind, dann wird es natürlich auch schwierig, diese Daten letzten Endes zu interpretieren. Ob das jetzt über entsprechende Algorithmen, KI erfolgt oder ob das über telemedizinische Arztkontakte erfolgt, des wäre dann fast egal.

IB Ja genau. Ich würde gerne noch ergänzen, dass ich glaube, dass ja in diesem ganzen Zusammenspiel ein Wort extrem wichtig ist. Und das ist die Transparenz. Das heißt in Richtung der Patientinnen und Patienten die Transparenz der, ja, der medizinischen Informationen. Da sind wir in Deutschland ganz gut darin, das zu vermeiden. Wenn man so einen Arztbrief liest, dann ist der nicht verständlich. Selbst für jemanden, der aus dem Gesundheitswesen kommt, ist das teilweise schwierig, die Fachbegriffe dann wirklich zu begreifen. Da gibt es in dieser Übersetzung ein Riesenpotenzial. Und das Zweite ist auch, dass ich erwarte, dass wir irgendwann auch im deutschen Gesundheitswesen zu einer Kostentransparenz kommen werden, dass da auch ein Riesenpotenzial liegt.

HT Wenn digitale Technologien vermehrt auch personalisierte Medizin ermöglichen, hat das dann auch Auswirkungen auf die Produktion, also beispielsweise von Prothesen oder Medikamenten? Ich denke zum Beispiel an Zahnprothesen in Zahnarztpraxen.

IB Ich würde gerne eine These formulieren: Wir haben ein Gesundheitswesen, was sozusagen die Produktion zum Beispiel von Medikamenten oder auch von Körperersatzteilen wie Zahnschienen und so immer an zentralen Orten gemacht hat, weil es einfach anders nicht möglich war. Jetzt kommen wir aber hin zu personalisierter Medizin. Und solche Lösungen wie 3D-Druck, die gibt es ja schon sehr lange in Zahnarztpraxen, aber auch so Knochenprothesen et cetera, die können individuell 3D-gedruckt werden. Und das wird auch für die Medizin ein Thema werden. Das sehen wir heute schon im Bereich Gen- und Zelltherapeutika. Diese Medikamente in der Onkologie, die werden für jeden Patienten auf Basis von dessen, ja, Blut eigentlich, kann man sagen, individuell produziert. Und somit rückt die Produktion der Therapeutika viel näher an den Patienten oder die Patientinnen heran. Heute ist das zum Teil noch nicht so. Und wenn wir davon ausgehen, dass wir sehr viel mehr personalisierte Medizin haben, dann wird auch die günstige Produktion nah am Patienten dieser personalisierten Medizin dann ein Thema werden. Und da bietet sich sehr viel Potenzial. Und es gibt da spannende Beispiele, zum Beispiel auch von Unternehmen, die Wirkstoffe verschiedener Medikamente in eine Tablette zum Beispiel drucken, damit Patientinnen und Patienten nicht mehr so viele Pillen schlucken müssen. Also da gibt es ganz viele spannende Beispiele.

HT Was sollten denn mittelständische Unternehmen oder Health Care Start-ups künftig diesbezüglich beachten, um sich auf dem Markt richtig zu positionieren?

IB Also für die mittelständischen und kleinen Unternehmen, da kommt so ein bisschen darauf an: Gehen die erst in den Gesundheitsmarkt neu rein? Das machen ja gerade auch sehr viele Unternehmen. Also es ist im Gesundheitswesen, das muss man einfach so sagen, sehr schwierig, wenn man neu startet, ja, das zu durchblicken. Es ist einfach sehr komplex. Deswegen: Man muss seinen Turf kennen. Also man muss verstehen, was man da macht. Man braucht wirklich Experten und Expertinnen. Ich glaube nach wie vor, dass ein großer Vorteil ist, wenn man wirklich grundlegend überlegt, vom Nutzer und von der Nutzerin her, wie muss man das bauen, damit es Menschen wirklich hilft? Und wenn man auch nicht nur auf die Ärzteschaft guckt, sondern auch auf das pflegende Fachpersonal und sonstiges medizinisches Fachpersonal, wie das eingebunden werden kann, und da wirklich radikal nutzerzentrisch denkt, denn das ist vielen großen Unternehmen gar nicht so möglich, weil die einfach bestehende Stakeholder-Interessen bedienen müssen und dann sehr schnell in Interessenskonflikte reinlaufen. Und da liegt aus meiner Sicht die Chance von kleinen und mittelständischen Unternehmen.

BB Prinzipiell habe ich ja zwei Zugangswege, die ich nutzen kann. Also ich kann als kleines und mittelständische Unternehmen direkt auf die Konsumenten eingehen und sagen: Ich baue irgendwie so etwas wie eine App und versuche, die direkt an die Patientinnen und Patienten zu bringen. Oder ich gehe auf die etablierten Firmen zu und sage denen: „Passt mal auf, ihr habt hier noch weiße Flecken, da sind noch Lücken. Können wir nicht kooperieren in dem Bereich?“ So wie es jetzt ja auch bei einigen Bereichen mit der Videosprechstunde und Terminbuchung war. Das sind ja Dinge, die sind von anderen Firmen entwickelt worden und nicht unbedingt primär entwickelt und vorangetrieben worden von den etablierten Kräften, sondern das wurde nach und nach aufgesetzt. Und so könnte es mit anderen Bereichen auch weitergehen, dass man sagt, okay, jetzt baue ich ein zusätzliches Modul, baue ich gar nicht selber, sondern da gibt es eine andere Firma. Die hat sich genau mit diesem Themenbereich beschäftigt, weil die da eben die Experten für haben. Und das wird integriert in meine Lösung auf Basis entsprechender Schnittstellen.

HT Worüber wir noch nicht gesprochen haben, ist künstliche Intelligenz. Welche Potenziale hat künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen? Gibt es hier Chancen auch für kleine und mittelständische Unternehmen? Oder sind KI-Lösungen eher großen, finanzstarken Unternehmen vorbehalten?

BB Also das würde ich nicht sagen, dass sie nur den Großen vorbehalten sind. Bei KI-Lösungen kommt es aber im Wesentlichen darauf an, dass man auf der einen Seite einen guten und starken Algorithmus hat und auf der anderen Seite natürlich auch die entsprechenden Daten. Und ich muss also irgendwie mit jemandem zusammenarbeiten, der Daten hat oder der mir entsprechende Daten liefern kann. Ich glaube, das ist eher die Hürde. Diesen Algorithmus zu bauen, das kann ich mit entsprechenden Experten aus der Informatik machen, kann mir Dinge überlegen, das mit medizinischem Fachwissen verknüpfen, Regeln aufstellen, maschinelles Lernen etablieren. Von der Technikseite geht das schon. Aber ich brauche an irgendeiner Stelle eben den den Zugang zu Daten. Das kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen. Entweder ist es eben ein Modul im Krankenhausinformationssystem oder es läuft über eine Art „Datenspende“ der Patienten, dass die sagen, meine Daten aus dieser App, die stelle ich gerne dazu bereit, dass mir dieser Algorithmus vielleicht eine Individualprognose gibt.

IB Also ich habe selbst schon ein Start-up aufgebaut, das sich mit Diagnostik in der Onkologie beschäftigt hat auf Basis von Laserspektroskopie und künstlicher Intelligenz. Wir hatten damals den Vorteil, dass wir unsere eigenen Daten erhoben haben, auf denen wir dann die Algorithmen entwickelt haben. Und ich glaube, dieses Thema KI, das ist ja im Kontext zu sehen: Diagnoseunterstützung, aber auch Unterstützung bei der Anamnese, bei der Therapieauswahl. All diese Themen werden wirklich immer komplexer – und auch für einzelne Ärztinnen und Ärzte. Nehmen wir wieder das Beispiel der Onkologie. Da müssen die zum Teil zwischen hundert Therapie-Kombinationen auswählen, und das ist gar nicht so einfach, da immer up-to-date zu bleiben. Also da bietet sich ein riesiges Potenzial. Ich glaube, hier ist es wirklich nur wichtig, dass man versteht, wie man den Bereich eingrenzt, so dass man sich nicht übernimmt.

BB Ja und vielleicht auch ganz wichtig im Bereich der KI-Anwendung, dass man ein klares Ziel und einen klaren Zweck damit verfolgt, dass man sagt, was möchte ich denn eigentlich erreichen? Nicht den Einsatz von künstlicher Intelligenz einfach nur, damit ich irgendwo draufschreiben kann „Jetzt auch mit künstlicher Intelligenz“, sondern ich muss sozusagen irgendwie ein Zielkriterium haben und sagen, okay, damit kann ich die Diagnosequalität erhöhen oder damit kann ich mich an einem anderen Kriterium messen, und ich kann diesen Bereich verbessern. Und da kann maschinelles Lernen eben eine Möglichkeit sein, das Ganze voranzubringen.

HT Vielen Dank, Frau Bergen und Herr Prof. Breil! Wenn jeder von Ihnen jetzt noch zwei Wünsche an die Medizin der Zukunft hätte, wie würden diese beiden Wünsche lauten?

BB Also ein Wunsch von meiner Seite wäre, dass es mit der elektronischen Patientenakte vorangeht, dass wir da sozusagen eine Lösung haben, an der Gesundheitsdaten zusammengeführt werden können, das als Steuerungsinstrument dient, auch für die Koordinierung von Behandlungen. Und diese elektronische Patientenakte mit den anderen Systemen, seien es die Lösungen des Patienten in Form von Apps, seien es stationäre Lösungen im Krankenhaus, seien es Lösungen im ambulanten Bereich, entsprechende Schnittstellen gibt und kooperieren kann.

IB Meine Hoffnung ist, dass durch Digitalisierung die Menschen wieder in den Mittelpunkt des Geschehens kommen, dass wir wegkommen von diesem, ja, extrem an Effizienzen und Kennzahlen ausgerichteten Gesundheitswesen der vergangenen Jahrzehnte, dass wir hinkommen zu einem erweiterten Qualitätsbegriff, der auch eben das menschliche Wohlbefinden mit einbezieht, und zwar auf Seiten der Patientinnen und Patienten, der Ärztinnen und Ärzte, aber auch der Pflegenden und des sonstigen Fachpersonals. Und damit würden wir sehr viele Fliegen mit einer Klappe schlagen und hätten weniger Fachkräfteabwanderung aus dem System und hoffentlich auch Patientinnen und Patienten, die sich besser umsorgt fühlen und auf deren Gesundheit sich das auch ausweitet.

BB Ja, mein zweiter Wunsch wäre tatsächlich, das Ganze mit offenen Standards zu betreiben. Das hatte ich gerade bei der elektronischen Patientenakte schon gesagt. Also da muss der unbedingte Fokus darauf liegen. Das ermöglicht es a) neuen Playern in den Markt einzusteigen, weil man sich einfach an die heterogenen Systemlandschaften andocken kann. Und es macht es auch einfacher für Forschung, für alle: offene Standards und deren konsequente Verwendung.

HT Frau Bergen?

IB Mein zweiter Wunsch ist, dass wir in der nächsten Legislaturperiode mit voller Kraft in Richtung Digitalisierung vorangehen. Denn wir brauchen die, um eben diese, ja, Freiheiten zu schaffen im System, um auch bürokratischen Aufwand abzubauen. Heute macht das 30 Prozent der Arbeit von Ärztinnen und Ärzten … macht Papierkram aus. Davon müssen wir weg.

HT Ja, vielen Dank, Inga Bergen, dass Sie heute als Visionärin der Gesundheit Ihre Thesen von der digitalen Medizin der Zukunft mit uns geteilt haben. Und vielen Dank auch an Sie, Herr Prof. Breil, für die tiefen Einblicke in die Potenziale von Digitalisierung im Gesundheitsbereich. Herzlichen Dank!

IB Ja, vielen Dank!

BB Vielen Dank auch von meiner Seite!

HT Nicht nur im Gesundheitsbereich, sondern auch weit darüber hinaus gilt künstliche Intelligenz als wichtige Zukunftstechnologie. Für manche Branche sogar als Gamechanger. In der kommenden Folge sprechen wir mit einem KI-Forscher und einer Expertin des KI-Bundesverbands über die Potenziale von KI für den Mittelstand, aber auch über die Hemmnisse und weshalb man KI nicht unterschätzen sollte. Bis dahin, sagt Holger Thurm.

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