Digitalisierung finanzieren – darauf kommt es an

Shownotes

Jetzt investieren oder doch lieber abwarten? Fakt ist: Die Digitalisierung kann zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beitragen. Doch wie finanzieren?

Welche Möglichkeiten sich für mittelständische Unternehmen bei der Finanzierung bieten, darüber sprechen Prof. Dr. Dirk Schiereck von der Technischen Universität Darmstadt und Markus Merzbach von der KfW. Beide sind sich einig: Nicht auf die lange Bank schieben, einfach machen.

Mehr Informationen zum Thema und den Fördermöglichkeiten auf

kfw.de/digitalisieren

kfw.de/zukunft-digital

Transkript anzeigen

Wie gelingt die Digitalisierung? Wie werden aus Krisen Chancen? Und wie können Unternehmen in digitale Innovationen investieren? Kompetente Antworten, Inspiration und Expertenwissen gibt es bei Zukunft:digital – einem Podcast der KfW-Bankengruppe.

HT Kleine und mittlere Unternehmen müssen in die Digitalisierung investieren, wollen sie im dynamischen Wirtschaftsumfeld wettbewerbs-, innovations- und somit zukunftsfähig bleiben. Doch seit Jahren vollzieht sich die digitale Transformation nur schleppend. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Finanzierung. Woher kann das Geld für die Digitalisierung kommen? Was für Finanzierungsmodelle gibt es für KMU? Wer kann bei der Finanzierung helfen? Das klären wir mit Experten von der TU Darmstadt und der KfW. Ich bin Holger Thurm. Hallo!

HT Ich begrüße Herrn Prof. Dr. Dirk Schiereck, Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt. Sie beschäftigen sich mit Corporate Finance und zählen laut aktuellem F.A.Z.-Ranking sogar zu den 100 einflussreichsten Ökonomen Deutschlands. Hallo!

DS Hallo!

HT Und herzlich willkommen auch an Markus Merzbach, Abteilungsdirektor im Vertrieb der KfW mit langjähriger Expertise in der Beratung von Kunden und Vertriebspartnern zu KfW-Fördermitteln.

MM Hallo!

HT Herr Prof. Schiereck, Herr Merzbach, ausgerechnet die tragende Säule der deutschen Wirtschaft, nämlich der Mittelstand, investiert nur zögerlich in die digitale Transformation. Anders als zum Beispiel Start-ups, die oft schon mit digitalen Geschäftsmodellen am Markt antreten, verfügen kleine und mittlere Unternehmen oft nicht über die nötige Digitalkompetenz. Und häufig fehlen ihnen eben auch die finanziellen Mittel, um die digitale Transformation voranzutreiben. Die Finanzierung ist so etwas wie ein Flaschenhals der Digitalisierung für KMU. Welche Rolle spielt Digitalisierung denn allgemein derzeit bei den Investitionsüberlegungen der KMU? Herr Prof. Schiereck?

DS Sehr gerne. Wir müssen natürlich feststellen, dass momentan sehr viele kleine und mittlere Unternehmen nicht so sehr auf Themen der langfristigen Unternehmenssicherung und damit auch auf Digitalisierungsprojekte schauen, sondern gerade gegenwärtig vor allem zunächst mal das Überleben über die nächsten Monate im Blickpunkt steht und vor allem auch die Sicherstellung der Liquidität. Dadurch hat bei manchen Unternehmen sicherlich das Investment in Digitalisierung ein Stück weit eine untergeordnete Rolle entwickelt. Das wird sich aber, denke ich, in den nächsten Monaten wieder sehr deutlich ändern. Wir müssen, denke ich, unterscheiden, in welcher Art und Weise Digitalisierung hier verstanden wird. Wenn wir Digitalisierungsmaßnahmen, Investitionen haben, die das Geschäftsmodell des Unternehmens nachhaltig ändern, dann haben wir es natürlich mit Investitionen zu tun, die ein erhebliches Risiko bergen. Das ist an sich eine Finanzierung, die nur aus Eigenkapital erfolgen kann. Aber alle Weiterentwicklungen von bereits bestehenden Geschäftsmodellen hin auf eine digitale Plattform, das ist natürlich ein Thema, wo die Banken gefordert sind, das auch mit Krediten zu begleiten. Und da ist ja nicht nur die breite Palette von Regionalbanken in Deutschland sehr aktiv, sondern vor allem auch die KfW.

HT Möchten Sie das ergänzen, Herr Merzbach?

MM Ja, sehr gerne! Also, gutes Stichwort, vielen Dank, Herr Prof. Schiereck, dass Sie es schon gesagt haben. Der KfW sind diese Dinge, die Sie erwähnt haben – ich will das jetzt nicht noch einmal wiederholen –, durchaus bewusst. Und deshalb haben wir auch ein … ich nenne es jetzt mal „Spezialprogramm“ auf den Markt gebracht, den ERP-Digitalisierungs- und Innovationskredit, der genau auf dieses Feld abzielt.

HT Ich wollte nochmal dezidiert nachfragen: Wenn Sie mit KMU reden, Herr Prof. Schiereck, wie viele Unternehmen planen denn ernsthaft ein, 2021 in Digitalisierung zu investieren?

DS Na so, fairerweise muss man sagen: Es gibt kaum ein Unternehmen, das nicht erkannt hat, dass Digitalisierung für das weitere Bestehen von Geschäften von enormer Wichtigkeit ist. Und wenn Sie gerade mal schauen, wer zuletzt so alles in die Insolvenz gegangen ist, sind das dann sehr häufig Unternehmen, die zu spät mit ihrer Digitalisierung angefangen haben: Also von daher: Es trifft tatsächlich eine sehr, sehr breite Palette des Bestandes an kleinen und mittleren Unternehmen, ohne da jetzt eine Prozentzahl dranhängen zu wollen. Das ist, glaube ich, gar nicht so einfach. Aber Sie können sich vorstellen, Digitalisierung im Dienstleistungsbereich ist etwas anderes als im produzierenden Gewerbe, wo Deutschland gerade als exportorientierte Nation natürlich gegenwärtig auch darum bemüht sein wird, seine Wettbewerbsposition langfristig nicht nur zu halten, sondern noch auszubauen.

HT Von welchen Kreditvolumina sprechen wir denn da eigentlich? Also, Sie haben ja schon branchenspezifische Unterschiede, was den Grad der Digitalisierung betrifft, angesprochen. Aber wahrscheinlich haben wir da auch eine große Spannbreite an Kreditvolumina?

DS Wir reden über eine sehr breite Palette. Das fängt bei kleinen Unternehmen im fünfstelligen Bereich an. In der breiten Palette der KMUs reden wir über Kreditvolumina, die vom kleinen sechsstelligen bis zum mittleren größeren einstellig siebenstelligen Betrag laufen. Also, so zwischen ganz grob hunderttausend und vier, fünf, sechs, sieben, acht Millionen Euro.

HT Also, je nach Digitalisierungsvorhaben natürlich sind das durchaus auch hohe Summen, die sich nicht unbedingt aus den Eigenmitteln oder ohne eine zusätzliche Finanzierung stemmen lassen. Was sind denn aus Ihrer beider Sicht die hauptsächlichen Finanzierungshemmnisse für kleine und mittlere Unternehmen?

DS Was man natürlich bedenken muss, ist, dass ein Digitalisierungsprojekt aus Sicht der traditionellen Hausbanken häufig gar nicht so einfach zu bewerten ist wie klassische Investitionen in Logistikimmobilien, in Maschinenparks oder Ähnliches. Es fehlen halt in diesen Fällen dingliche Sicherheiten. Das macht eine Risikobewertung für die Kreditmanager in den Regionalbanken deutlich schwieriger. Das heißt, wir haben schon Probleme in der Kommunikation eines Digitalisierungsprojektes bei vielen Mittelständlern immer wieder zu hören bekommen. Und es liegt schon auch die Frage natürlich immer im Raum: Wie groß ist eigentlich die Digitalisierungskompetenz gerade im deutschen Regionalbanken-Bereich und damit verbunden dann auch natürlich in Corona-Zeiten die Frage, wie viel persönlicher Kontakt ist eigentlich notwendig, um die Produkte, die ich brauche, jetzt bei meiner Bank zu bekommen. Und Sie können sich vorstellen, dass eine Bank, die bei ihren Kreditnehmern Liquiditätsengpässe beobachtet, sehr, sehr zurückhaltend ist, wenn es dann darum geht, Geld nicht nur kurzfristig für die Überwindung von Liquiditätsengpässen zur Verfügung zu stellen, sondern darüber hinaus auch noch Geld für deutlich länger laufende Fristen, die dann auch noch nicht mit zusätzlichen dinglichen Sicherheiten unterlegt werden können.

MM Ja, das kann ich nur bestätigen. Also, wir haben für die Fälle, die Herr Prof. Schiereck geschildert hat, ja auch unsere Spezialprogramme, das Corona-Sonderprogramm und den Schnellkredit. Aber es gibt eben auch Branchen, die durchaus auch von der Corona-Krise profitieren und dort investieren möchten. Und da stellen wir eben fest, dass in vielen Fällen, wenn es darum geht, Digitalisierungslücken nachzuholen, aufzuholen, zu schließen, der ERP-Digitalisierungs- und Innovationskredit durchaus nachgefragt wird. Das Problem, was wir sehen, ist, dass viele kleinere und mittlere Unternehmen gar nichts wissen von diesem Spezialprodukt der KfW, die kennen den gar nicht. Und wenn jetzt der Geschäftsführer eines kleinen oder mittleren Unternehmens zu seiner Hausbank geht, dann bekommt er vom Hausbanker in der Beratung natürlich oftmals die Dinge vorgeschlagen, die bei der KfW größer, bekannter sind.

HT Bevor wir über die Überwindung möglicher Finanzierungshemmnisse sprechen, wollte ich nochmal ganz grundsätzlich fragen, welche Formen der Finanzierung stehen kleinen und mittleren Unternehmen denn zur Verfügung, wenn es um die Finanzierung von Digitalisierungsprojekten geht?

DS Die Frage, wie Digitalisierungprojekte zu finanzieren sind, hängt in allererster Linie davon ab, inwieweit sie einen transformatorischen Charakter für das ganze Unternehmen haben. Wenn sich das gesamte Geschäftsmodell eines Unternehmens durch eine Digitalisierung verändert, haben wir es mit einer überaus riskanten Investition zu tun. Und derartige Investitionen können nur aus eigenen Mitteln, das heißt entweder aus vorhandener Liquidität oder aus zusätzlicher Bereitstellung von Eigenkapital durch die Eigenkapitalgeber, finanziert werden. Wenn Projekte in Hardware erfolgen, dann beobachten wir natürlich zum einen die Möglichkeiten, wie schon traditionell bislang auch das Ganze über Leasing zu finanzieren. Und gerade im Leasingbereich beobachten wir auch innovativere Formen inzwischen. Ich denke da an das Pay-per-Use, wo es darum geht, Leasing quasi als Equipment-as-a-Service anzubieten, wo ich nicht mehr über einen Zeitraum, sondern für eine konkrete Nutzung bezahle. Wenn es sich darüber hinaus vor allem um Software-Applikationen handelt, dann kommt natürlich auch in erheblichem Umfang der Kredit zu tragen. Und da haben wir dann neben den Hausbanken sicherlich vor allem auch die Förderinstitute, die hier erheblich helfen können.

MM Genau, als Hinweis für die kleineren und mittleren Unternehmen sei an der Stelle noch gesagt: Es gibt neben der KfW auch noch die Landesförderinstitute. Das kann der Kunde, der Unternehmer sich so vorstellen wie eine kleine KfW, die jeweils in dem jeweiligen Bundesland agiert. Es lohnt sich, dort hinzuschauen, was die im Angebot haben. Die machen nämlich Folgendes: Die nehmen von der KfW ein Darlehen, ein Globaldarlehen, teilen das auf und nehmen noch mal Steuergelder des jeweiligen Bundeslandes und verbessern teilweise die KfW-Konditionen noch.

HT Ich würde gern noch mal bei den Banken, den klassischen Bankkrediten bleiben. Welche Rolle spielen die bei kleinen und mittleren Unternehmen derzeit bezogen auf Digitalisierungsvorhaben?

DS Ich glaube, so ganz allgemein lässt sich das momentan gar nicht sagen, weil, wie gesagt, in Corona-Zeiten die Liquiditätshilfen viel mehr im Blickpunkt stehen. Aber natürlich ist bei jeder Finanzierung, auch bei jeder größeren Investition, die Hausbank der natürliche erste Ansprechpartner eines jeden Unternehmers. Und dementsprechend besteht hier natürlich grundsätzlich auch eine erhebliche Kompetenz in der Beurteilung auch der persönlichen Fähigkeiten eines Unternehmers und damit auch die Frage des Zutrauens: Glaube ich, dass ein Unternehmer ein Digitalisierungsprojekt ausgewählt hat, das wirklich Sinn macht? Und glaube ich auch, dass er in der Lage ist, so etwas vernünftig umzusetzen? Und in den allermeisten Fällen ist das erstens ein guter Ansprechpartner, und zweitens ist es auch ein Ansprechpartner, der weiterhelfen kann.

HT Herr Merzbach, wie sehen Sie das?

MM Na ja, ich kann das nur bestätigen. Für die KfW ist die Durchleitungsfunktion, die die Hausbanken übernehmen, ganz entscheidend. Und wir kennen die Unternehmen bei Weitem nicht so gut, wie das die Hausbank tut. Deshalb sind wir sehr froh, dass uns die Hausbanken dort unterstützen und ihre Kompetenz einbringen mit der Kenntnis der Unternehmen.

HT Herr Merzbach, Sie haben ja schon staatlich geförderte Kredite der KfW als mögliche Alternativen genannt. Als Ergänzung zu klassischen Bankkrediten bietet die KfW den Unternehmen Kredite mit staatlicher Förderung an. Diese werden nicht direkt bei der KfW, sondern bei den Finanzierungspartnern wie den Sparkassen, Volksbanken oder auch Geschäftsbanken beantragt. Gibt es denn Vorteile der KfW-Kredite gegenüber den regulären Krediten? Ein paar haben Sie ja schon angesprochen.

MM Ja, also, bleiben wir mal beim Digitalisierungs- und Innovationskredit. Dort haben wir vor nicht allzu langer Zeit einen Förderzuschuss eingeführt, das heißt drei Prozent der Darlehenssumme, die ausbezahlt wird, bekommt das Unternehmen nochmal als Zuschuss ausbezahlt. Das heißt, das muss auch nicht zurückgezahlt werden. Und das ist ein Vorteil, so ein Förderzuschuss, den gibt's bei einem klassischen Hausbank-Darlehen nicht. Dann ist ein weiterer Vorteil des KfW-Produkts Digitalisierungs- und Innovationskredit, dass wir dort die Möglichkeit der Haftungsfreistellung haben. Das heißt, wir unterstützen die Hausbank bei der Übernahme des Risikos und stellen die Hausbank, wohlgemerkt die Hausbank, nicht den Unternehmer, zu einem Teil von der Haftung frei, das ist auch einen Vorteil. Und wir finanzieren eben in diesem Produkt speziell Vorhaben, die keine dingliche sachliche Sicherheit im Hintergrund haben. Und da ist die Bandbreite, die wir finanzieren, riesengroß. Oftmals stellen sich die kleinen und mittleren Unternehmen unter Digitalisierungs- und Innovationskredit so ein Riesending vor. Nein, wir finanzieren auch zum Beispiel jetzt den innerbetrieblichen Ausbau eines Breitbandnetzes. Da kann das losgehen. Und wir starten auch durchaus mit kleineren Darlehensbeträgen. Das müssen nicht unbedingt 100.000 sein. Das kann auch bei 50.000 losgehen schon. Also von kleineren Digitalisierungsvorhaben bis hin zum Beispiel zu einer großen Vernetzung eines Wareneingangs-Systems mit der Produktion. Wo ich also meine Produktions- und meine sonstigen Softwaresysteme vernetzen will, vielleicht auch den Auftrag an eine Softwareschmiede geben muss, die mir eine eigene Anwendung programmiert. Sowas ließe sich mit dem Digitalisierungs- und Innovationskredit auch finanzieren. Und das wäre beim klassischen Hausbank-Darlehen schwierig. Meistens ist es aber so, dass bei einem Vorhaben es Teile des Vorhabens gibt, die kann ich idealerweise mit einem Hausbank-Darlehen abdecken, aber auch Teile wie zum Beispiel Softwareentwicklung oder Vernetzung von Produktionssystemen, wo die Hausbanken sagen: Nein, das möchten wir eigentlich nicht machen. Da können wir das KfW-Produkt einsetzen. Und, wie gesagt, das ist mir ganz wichtig heute, dass wir hier festhalten, dass auch Dinge, wenn es nur darum geht, die IT-Sicherheit in einem Unternehmen zu erhöhen – was ja auch ein großes Thema bei den Cyberattacken allenthalben ist –, dass auch solche Dinge sich mit dem Digitalisierungs- und Innovationsprogramm finanzieren lassen. Nehmen wir mal einen Einzelhändler, der mit Schuhen handelt: Der hat es im Moment schwer, sein Laden ist zu. Aber wenn der auch eine Online-Plattform hat, dann hat er dort durchaus eine Chance.

HT Prof. Schiereck, möchten Sie das ergänzen?

DS Nein, ich glaube, das war eine wichtige Klarstellung, dass die KfW nicht alleine auftritt, sondern sehr häufig auch in Kombination. Und die ersten Ansprechpartner sind in der Tat in der Regel die Hausbanken, die auch hier natürlich eine wichtige Informationsaufgabe wahrnehmen. Denn, wie Herr Merzbach ja selbst zugeben muss, viele Produkte der KfW sind den KMUs gar nicht bekannt. Und da sind die Regionalbanken, die Sparkassen und Volksbanken auch ganz wichtige Informations-Intermediäre, indem sie überhaupt erst den Mittelstand darauf aufmerksam machen, welche Möglichkeiten es denn überhaupt alles gibt.

HT Für wen kommt denn so ein ERP-Digitalisierungs- und Innovationskredit infrage? Herr Merzbach, Sie hatten schon Beispiele genannt, die aus dem produzierenden Gewerbe kommen, Sie haben auch den Einzelhandel erwähnt. Aber welche Kriterien legen Sie denn an, damit KMU für solche Kreditprodukte der KfW infrage kommen?

MM Ja. Also, es gibt im Prinzip zu dem Produkt drei Eintrittskarten, sagen wir. Das eine ist ein Digitalisierungsvorhaben, da hatte ich eben schon Beispiele genannt. Das können auch kleine Dinge sein. Ich habe es erwähnt, von daher ist das sehr breit zugänglich. Die zweite Eintrittskarte sind innovative Vorhaben, aber auch da bitte nicht annehmen, dass müssten jetzt Neuerungen auf EU-Ebene sein. Nein, es genügt als Innovation, wenn es für Ihr Unternehmen für Ihr KMU neu ist. Ich will mal ein konkretes Beispiel machen: Ein Felgenhersteller möchte eine neue Felge, eine neue Alufelge produzieren und benötigt dafür auch eine neue Maschine, weil das eine neue Felge werden soll, wo weniger Material verwendet wird, die leichter ist. Und er muss eine Maschine dafür anschaffen. Er muss auch ein bisschen was an seinen Prozessen ändern, wo die Prozesse angepasst werden müssen. Auch das wäre im Sinne der KfW ein innovatives Vorhaben und würde funktionieren. Also, eine Eintrittskarte: Digitalisierung. Zweite Eintrittskarte: innovatives Vorhaben. Beides kann ganz niedrig angesetzt sein. Und die dritte Eintrittskarte ist das innovative Unternehmen selbst. Zum Beispiel gilt im Sinne des KfW-Produktes ein Unternehmen dann als innovatives Unternehmen, wenn zum Beispiel ein Wachstum in den letzten drei Jahren, was die Bilanzsumme angeht, von 20 Prozent vorliegt. Also, auch dort durchaus keine großen Dinge – bei dynamisch wachsenden jungen Unternehmen ist das relativ leicht erfüllt. Und auch dann besteht dort eine Antragsberechtigung.

HT Herr Merzbach, danke! Sie haben jetzt schon viele konkrete Beispiele für Digitalisierungsvorhaben genannt, die also kreditwürdig sind. Angenommen, ich habe jetzt ein passendes Digitalisierungsvorhaben und ich bin ein Unternehmen, das besonders innovationsfreudig ist. Wie gehe ich nun vor, wenn ich so einen ERP-Kredit beantragen möchte? Was für Dokumente benötige ich? Was sind die nächsten Schritte? Und kann mir da meine Bank helfen?

MM Es ist ganz einfach. Die Dokumente, die wir verlangen, hat die Hausbank normalerweise bei Unternehmen, die bei ihnen Kunden, Kunde sind, vorliegen. Insofern ist der erste Schritt immer: Der Unternehmer, die Unternehmerin geht zur Hausbank, macht sich dort schlau und spricht bitte auch gezielt an. Aber bitte informieren Sie sich auch vorher schon über das Internet oder über unsere Infocenter-Hotline, dass Sie einfach schon ein bisschen Know-how mitbringen, wenn Sie hingehen. Von 8 bis 18 Uhr ist unser Infocenter für KMU selbstverständlich erreichbar unter der 0800 539 9001. Das ist eine gute Möglichkeit, sich erst mal zu informieren: Infocenter oder unseren Internetauftritt kfw.de und dann zur Hausbank gehen. Die Unterlagen, da hilft Ihnen als Unternehmen der Hausbanker, die zusammenzustellen. Und ganz viel von den Dingen, die wir sehen wollen, irgendwelche BWAs oder Bilanzen und so was, das hat die Hausbank, kennt das von Ihnen sowieso schon, wenn Sie mit der Hausbank eng zusammenarbeiten.

HT Die Frage richtet sich jetzt auch noch mal an Sie, Herr Prof. Schiereck. Haben Sie vielleicht Tipps oder Ratschläge für mich als Unternehmer, als jemand, der ein kleines oder mittleres Unternehmen führt? Wie kann ich ein Kreditgespräch mit meiner Bank am besten vorbereiten?

DS Zum einen sollten Sie natürlich in der Lage sein, Ihre Kredithistorie vernünftig zu erläutern, zu erklären. Das heißt, Sie sollten natürlich historische Bilanzen dabei haben. Was gegenwärtig ein ganz zentraler Punkt ist, ist die Liquiditätsplanung für die kommenden zwölf Monate, wo eine Bank natürlich sehen möchte, auch unter der Überlegung unterschiedlicher Szenarien, wie sich die deutsche Wirtschaft im Laufe des Jahres entwickelt. Hier stellt sich die Frage: Was kann ich an Liquidität dauerhaft bereithalten? Bin ich in der Lage, meinen kurzfristigen Verpflichtungen nachzukommen? Erst danach fängt eine Bank eigentlich an, mit Ihnen darüber nachzudenken, ob Sie denn zusätzlich weiteres Geld aufnehmen können und was Sie mit diesem Geld anstellen möchten. Das heißt, man wird erwarten, dass Sie erläutern können, wie die Liquidität im laufenden Jahr aussieht. Und darüber hinaus sollten Sie sehr konkrete Ideen haben, wie Sie die zusätzlichen Mittel in einem Digitalisierungsprojekt denn tatsächlich auch verwenden wollen. Denken Sie immer daran, das sind typischerweise Investitionen, die keine konkreten dinglichen Sicherheiten haben. Umso überzeugter muss eine Bank am Ende sein, dass die Mittel, die bereitgestellt werden, tatsächlich auch einen positiven Effekt auf das Unternehmen, auf die Ertragslage des Unternehmens zukünftig hat und die Bank damit sicher sein kann, dass sie ihr Geld zurückbekommt.

HT Neben der eher klassischen Finanzierung über Eigenmittel oder Bankkredite, staatlich geförderte Kredite, über die wir gerade gesprochen haben, haben sich in den letzten Jahren auch alternative Finanzierungsquellen entwickelt. Was sind die Motive für KMU, diese zu nutzen?

DS Eine erste Motivation liegt sicherlich bei den KMUs darin, dass die Bereitschaft von Hausbanken häufig dann doch begrenzt ist. Gerade wenn es den Unternehmen, die Kredite suchen, nicht so richtig gut geht. Oder wenn vielleicht gerade ein Wechsel der Hausbank-Beziehung erfolgt ist, man sich noch nicht so gut kennt, auch vor dem Hintergrund dann die Bereitschaft zur Mittelbereitstellung überschaubar groß ist und insgesamt die Risikoneigung der Banken ein Stück abnimmt, dann stellen wir schon fest, dass sich Kreditmärkte ein stückweit separieren. Es gibt dann einen gut funktionierenden Kreditmarkt für gute Risiken und gute Schuldner. Und je schwieriger die Bonitätssituation wird, umso größer ist dann vielleicht die Attraktivität einer solchen Finanzierung über alternative Geldgeber, denn man muss sich immer überlegen: Ein Kredit ist aus Sicht eines Unternehmens zwar eine Mittelaufnahme, aber für viele Investoren kann das auch eine sehr spannende Form der Geldanlage sein. Kreditplattformen, das ist … ich will jetzt nicht sagen Tinder für Kredite, vielleicht eher so etwas wie ElitePartner. Sie suchen also eine vielleicht auch dauerhafte zusätzliche Kreditfinanzierung in dem Sinne, dass auf der einen Seite Versicherungen, andere Investoren mit einer höheren Risikoneigung als Hausbanken bereit sind, Kredite in Teilen zu zeichnen; auf der anderen Seite Unternehmer, die Schwierigkeiten haben, sonst Kredite zu bekommen, hier die Möglichkeit haben, ein Kreditprojekt zu präsentieren. Und wir beobachten, dass diese Plattformen für Volumina, die so ungefähr zwischen 100.000 und 5 Millionen Euro liegen und Laufzeiten zwischen sechs Monaten und sechs Jahren haben, dass diese Plattformen sich so langsam etablieren als Ergänzung, als komplementäre Finanzierungsquellen zu den etablierten Hausbank-Beziehungen.

HT Gibt es aus Ihrer Sicht – und damit frage ich jetzt zum Abschluss Sie beide – entscheidende Tipps für Unternehmer in puncto Digitalisierung und Finanzierung? Also Tipps, die Sie aus Ihrer Erfahrung nennen können, Welche Kapitalfehler sollte ein Unternehmer auf jeden Fall vermeiden? Und wo kann er umgekehrt schnelle Erfolge erzielen? Worauf sollte er immer achten?

DS Ich glaube, was ganz wichtig ist, dass Digitalisierung nicht ein Thema ist, wo man sagen kann, das sollten wir angehen, sobald Corona denn mal vorbei ist und wir uns wieder vernünftig positioniert haben, sondern Digitalisierung ist ein Thema, das eigentlich überhaupt keinen Aufschub mehr erlaubt. Und Unternehmen, die in der Vergangenheit da relativ langsam vorangegangen sind, merken gerade, dass sie es besonders schwer haben. Von daher wäre mein erster Tipp: Wenn Sie planen, in die Digitalisierung Ihrer Geschäftsmodelle zu investieren, dann sollten Sie das sehr zeitnah machen, damit Sie diese Digitalisierungsprojekte tatsächlich auch dann schnell umgesetzt nutzen können, um Ihr Unternehmen in stabiles Fahrwasser nach Corona zu bringen. Und dementsprechend sollte auch die konkrete Detailplanung für Digitalisierungsprojekte eigentlich schon längst unterwegs sein. Und wenn das nicht der Fall ist, wird es aber allerhöchste Zeit, damit zu beginnen.

MM Ja, kann ich nur bestätigen. Nicht auf die lange Bank schieben, einfach machen, wie Herr Schiereck gesagt hat, angehen! Das ist die wichtigste Voraussetzung.

HT Vielen Dank, Markus Merzbach, Vertriebsleiter bei der KfW-Bankengruppe, und auch vielen Dank an Sie, Herr Prof. Schiereck, Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt. Vielen, vielen Dank!

MM Gerne!

DS Gerne! Danke!

HT In dieser fünften Folge von „Zukunft:digital“ haben wir uns mit der Finanzierung der digitalen Transformation kleiner und mittlerer Unternehmen beschäftigt. Hören Sie gern auch unsere anderen Folgen an zu Themen wie Corona als „Beschleuniger“ der Digitalisierung oder zu Möglichkeiten des dezentralen Arbeitens. Wir haben uns mit dem Thema Datenschutz für KMU auseinandergesetzt und Beispiele von Unternehmen vorgestellt, die bereits erfolgreich digitalisiert haben. Lassen Sie sich davon inspirieren und motivieren, auch in Ihrem Unternehmen die Digitalisierung voranzutreiben. Denn, wie es der Titel dieses Podcasts schon besagt: Das ist die Zukunft.

Das war Zukunft:digital – ein Podcast der KfW-Bankengruppe. Wollen auch Sie Digitalisierung und Innovation in Ihrem Unternehmen vorantreiben? Die KfW unterstützt Sie dabei – mit attraktiven Krediten und Förderzuschüssen. Erfahren Sie mehr auf kfw.de/digitalisieren.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.