So gelingt das Arbeiten im mobilen Office

Shownotes

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice koordinieren, digitale Meetings ansprechend gestalten, Probleme remote lösen und online gut führen. Das Arbeiten im Homeoffice birgt viele Herausforderungen. In dieser Folge von Zukunft:digital geben zwei Experten Tipps, wie sich die „neuen“ Hürden erfolgreich überwinden lassen. Viel Spaß beim Reinhören und Ausprobieren!

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Wie gelingt die Digitalisierung? Wie werden aus Krisen Chancen? Und wie können Unternehmen in digitale Innovationen investieren? Kompetente Antworten, Inspiration und Expertenwissen gibt es bei Zukunft:digital – einem Podcast der KfW-Bankengruppe.

HT In der Corona-Krise haben viele Unternehmen sehr schnell auf Homeoffice und dezentrales Arbeiten umschalten müssen. Eine Herausforderung für Teams und Führungskräfte, an ihre Kommunikations- und Organisationsstrukturen. Welche technischen, organisatorischen und auch kulturellen Rahmenbedingungen sind notwendig für Remote Work? Welche IT-Infrastrukturen, IT-Services und Ausstattung brauchen mobile Arbeitsplätze? Dazu begrüße ich Dr. Josephine Hofmann. Sie leitet das Team Zusammenarbeit und Führung am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, IAO. Und Ivo Benke, Wirtschaftsingenieur und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Karlsruher Institut für Technologie, kurz KIT, und Mitarbeiter am Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Usability. Mein Name ist Holger Thurm.

HT Frau Hofmann, wir leben jetzt ja schon ziemlich lange mit dieser neuen Arbeitsrealität. Was ist denn Ihre Beobachtung? Sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen in diesem „neuen Normal“ des digital vernetzten, dezentralen Arbeitens angekommen?

JH Ich möchte mal so sagen: Ich bin erstaunt, wie viel so gut geklappt hat. Ich glaube, das hätte keiner erwartet. Wenn wir unsere eigene Studie und auch die Begegnung mit vielen Unternehmen uns mal so genau angucken, da finde ich, sind die eigentlich schon relativ weit. Ich habe aber jetzt schon den Eindruck, die sind nicht im neuen Normal, sondern die sind jetzt in einer verlängerten Ausnahmesituation. Und jetzt bemerke ich, dass wir in vielen Diskussionen drinstecken, wo man sich wirklich über längerfristige Veränderungen klarwerden muss. Also, ich würde sagen, insgesamt gut angekommen und erstaunlich stabil auch in vielen Bereichen. Aber normal ist das noch lange nicht. Jetzt fängt, glaube ich, so ein Denkprozess an. Was könnte das für eine mittlere bis lange Frist bedeuten?

HT Haben es da manche Branchen oder Unternehmen schwerer oder leichter mit der Anpassung?

JH Ich denke mal, so eine Umstellung fällt immer dann leicht, wenn man natürlich vorher schon gut unterwegs war, wenn man hochgradig digital arbeitet und von daher auch von vornherein eine gewisse Gewöhnung hat. Da bieten sich natürlich, ich sag mal, digitale Branchen an, da bieten sich Finanzdienstleister, Versicherungen, größere Teile auch des öffentlichen Dienstes an, die eben auch sehr informationsbasiert und wissensbasiert arbeiten. Die tun sich naturgemäß leichter, aber durchaus auch in Bereichen, wo man eben einfach vorher schon durch eine entsprechend innovative Arbeitsform ganz gute Übung hatte. Also, das jetzt auf Branchen zu spezifizieren, ist nicht so ganz einfach. Ich glaube, die branchenseitigen Unterschiede sind dann eher in dem Bereich zu suchen: Für welche Mitarbeitenden kann man denn in dieser neuen Form überhaupt wirklich jetzt neue Angebote machen? Oder wo müssen die Leute eben weiterhin auch wirklich in bestimmte Produktionsstätten kommen und dort eben wirklich vor Ort arbeiten?

HT Herr Benke, Sie arbeiten im Kompetenzzentrum Usability. Was sind denn die häufigsten Fragen, mit denen Mittelständler zu Ihnen kommen?

IB Ganz grundsätzlich ist es natürlich so: Wir haben jetzt nicht die Möglichkeit, jedem eine sehr individualisierte Beratung bereitzustellen. Was wir in vielen Gesprächen aber erleben, ist, dass sie sich schon fragen: Wie können wir denn jetzt mit unseren Mitarbeitern auch ein individualisiertes und gutes Szenario bereitstellen? Und ich glaube, dass – wie Frau Hofmann es schon eben gesagt hat – dass wir doch weiter sind. Es ist ja jetzt auch schon ein bisschen so, dass man sich darauf einstellen konnte. Es gibt schon viele Anwendungen, und viele Unternehmen haben sich auch darauf eingestellt. Okay, viele arbeiten von zu Hause, wir richten auch Arbeitsplätze zu Hause ein. Aber oft fehlt es noch vielleicht an der richtigen Nutzung und der richtigen Schulung. Das ist so das eine. Es gibt ja auch sehr unterschiedliche Erfahrungswerte mit diesen ganzen digitalen Tools und Anwendungen und agilen Arbeitsmethoden. Und auf der anderen Seite glaube ich, dass auch oft die Anwendungen zwar da sind, aber dass sie noch nicht richtig angewendet werden. Also, es gibt eben oft keine Generallösung. Es sind unterschiedliche Anwendungsszenarien, und darauf muss man sich eben einstellen und, ja, ganz individualisiert unterstützen. Das ist ganz zentral.

HT Woher wissen denn kleine und mittlere Unternehmen, welche die richtigen Tools für ihre Anwendungen und Bedürfnisse sind?

IB Das ist eine sehr, sehr gute Frage. Das ist natürlich, wie gesagt, sehr individuell. Also, Sie sind ein großes Unternehmen, Sie sind ein ganz kleines Unternehmen. Und das ist ein ganz typisches Problem, das wir haben. Wir haben uns da Gedanken gemacht und mal versucht, einen Überblick über diese Tool-Landschaft überhaupt zu gewinnen. Also: Was gibt es für Anwendungen? Welche können Sie nutzen? Welche brauchen Sie vielleicht in Ihren spezifischen Fällen? Wollen Sie eher kommunizieren? Wollen Sie eher koordinativ arbeiten? Sind Sie eher ein Softwareentwicklungs-Team, was Code-Versions-Management braucht? Und wir haben dann auf unserer Webseite auch eine kleine Zusammenstellung gemacht im Collaboration Kit. Das wird auch ständig erweitert. Das ist das eine, wo man wirklich skalierbar einfach mal sich einen Überblick verschaffen kann. Und auch ein Unterstützungsangebot bekommt, also eine Empfehlung. Und auf der anderen Seite muss man dann, wenn man wirklich das breit und konzeptionell aufstellen will, für sein gesamtes Unternehmen schon eine individuelle Beratung in Anspruch nehmen. Aber jetzt auch nicht im großen Stil. Es gibt auch viele kleine Beratungen, die auch für Mittelständler durchaus Sinn machen.

HT Da kommen ja eventuell auch ein paar Investitionen auf ein Unternehmen zu. Frau Hofmann, wie sehen Sie das denn aus strategischer Sicht? Wo sollte ein kleines oder mittleres Unternehmen die Prioritäten setzen? Lizenzen für ein Audio- oder Videokonferenzsystem oder schule ich jetzt erst mal meine Mitarbeiter?

JH Na klar, Sie brauchen erst mal natürlich eine netzseitige Infrastruktur, die Zugänge, auch gesicherte Zugänge zum Beispiel, zu einem lokalen Netz. Dann brauchen Sie natürlich erst mal auch Endgeräte, die Sie Leuten zur Verfügung stellen können, damit die überhaupt arbeitsfähig sind. Also, es gibt gewisse Grundinfrastrukturen. Ohne die brauchen Sie erst gar nicht anzufangen. Und dann ist natürlich die Frage: Was machen die Leute damit? Und da ist jetzt geradezu dieses Beispiel Audio- und Videokonferenzen, das Sie jetzt zitieren, das ist ja auch in unserer Beobachtung mit die Anwendungskategorie, die am meisten, ich würde mal sagen, durch die Decke gegangen ist. Das hat wirklich extrem zugenommen in der Nutzungshäufigkeit, bringt auch wirklich große Vorteile in einer guten Zusammenarbeit über Distanz, die eben auch vielleicht mal längere Zeiten übersteht und auch kompliziertere Dinge besprechbar macht. Und da gibt es jetzt auf Seiten der Hardware vielleicht auch gar nicht mehr die großen Kosten, sondern je nach Lizenzpolitik und je nach Sicherheitsanforderungen, die dahinterstecken, sind es dann die Kosten, die tatsächlich hochkommen, also entsprechend Anpassungen, die zu leisten sind. Dazu kommen entsprechende Zusatzausstattungen, die sich dann natürlich, je nach dem, wie viele Leute Sie haben, schon ganz schön zusammenaddieren, also eine anständige Kamera oder ein kleines Zusatz-Audiomodul, wo Sie einigermaßen gut sprechen zum Beispiel und in einer erträglichen Qualität auch länger als eine halbe Stunde miteinander sprechen, ohne dass anschließend alle Ohrenweh haben. Das sind Sachen, die kosten natürlich auch alle gar nicht mehr so viel, wenige hundert Euro oder drunter, aber wenn man das jetzt mal 3.000 Mitarbeiter nimmt, ist das natürlich trotzdem ein Batzen Geld.

HT Gut, bei 3.000 Mitarbeitern ist das eine andere Größenordnung. Aber bezogen auf KMU: Lohnen sich da diese Investitionen Ihrer Meinung nach – gerade vor dem Hintergrund von Corona?

JH Das sind unserer Erfahrung nach dann doch getätigte Investitionen, die sich im Augenblick extrem lohnen. In so einer Pandemiephase allemal. Also, wir erleben jetzt wirklich auch zunehmend Aussagen, dass Unternehmen zu uns kommen und sagen: Wir sind heilfroh, dass wir gerade auch diese Form der Zusammenarbeit über Distanz auch vielleicht vorher schon ein Stück eingeübt haben. Wir hätten gar nicht weiterarbeiten können. Also, es ist wirklich so, dass diese Arbeitsformen mittlerweile echt ein Resilienzbeitrag sind und nicht mehr so wie früher vielleicht eher so nice to have für ein paar Mitarbeitende, die gern von daheim aus arbeiten. Und was wir jetzt auch gelernt haben, ist, dass eine übergreifende Zusammenarbeit auch mit externen Partnern über unterschiedliche Standorte hinweg aus der Not heraus jetzt gemacht wird und auf einmal eine strategische Relevanz bekommen, die man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Und da gehe ich schon davon aus, dass das dann natürlich auch die entsprechenden Investitionskosten in ein anderes Licht rückt. Aber ich kann es nicht verhehlen, ich bin gerade auch in einigen Vorständen unterwegs, und da gibt es dann immer die Diskussion: Ja, brauchen die Leute jetzt ein extra Handy oder nicht? Und dann sage ich immer: Ja. Machen Sie das, damit die Leute anständig arbeitsfähig sind, das amortisiert sich in der Regel relativ schnell.

HT Im Büro sitze ich in der Regel im richtigen Abstand zum Bildschirm, der Stuhl ist ergonomisch richtig eingestellt. Aber zu Hause habe ich meine private Einrichtung, die vielleicht nicht optimal auf den Arbeitsalltag ausgerichtet ist. Wäre das eine sinnvolle Investition für Unternehmen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause auch flächendeckend mit einer richtigen Arbeitsplatzausstattung zu versorgen?

JH Ich meine, es gibt da diese schöne Unterscheidung: Was ist das für eine normale Form? Also, ist es sogenanntes mobiles Arbeiten? Da wird ja in der Regel angenommen, dass die arbeitgeberseitige Verantwortlichkeit für Ausstattung deutlich geringer ist und eben nicht genau diese ganzen Anforderungen zu erfüllen sind – im Vergleich zu dieser klassischen Telearbeit. Das ist ja auch gerade eine große Diskussion. Ich sag mal, ein guter Mittelweg wäre wahrscheinlich ganz gut. Also über solche Themen nachzudenken: Kriegen die Leute einen zweiten Bildschirm, weil sie sonst einfach an ihrem Laptopbildschirm auf Dauer einfach ergonomisch nicht sinnvoll arbeiten? Und könnte es Sinn machen, zum Beispiel einmalig einen Arbeitgeberzuschuss für einen anständigen Schreibtischstuhl zu leisten? Also ich würde mal sagen, je mehr auch ein Unternehmen darauf baut, dass Leute auch tatsächlich arbeitsfähig sind, zum Beispiel im Sinne der Krisenresilienz, dann finde ich, muss ihnen die Gesundheit auch was wert sein.

HT Was wären da die wichtigsten Faktoren? Bildschirm, Beleuchtung ...?

JH Ich sag jetzt mal, eine richtige Mischung aus guter Information, Sensibilisierung, was wichtig ist, auch beleuchtungsseitig, und jetzt sowas wie Bildschirm, vielleicht ein gutes Headset und ein anständiger Stuhl. Ich glaube, da kommen Sie schon sehr weit. Und das ist auch das, denke ich, was wir auch wissen aus Befragungen und Gesprächen, dass es auch das ist, was die Mitarbeitenden sich gut vorstellen können. Darüber hinaus geht es in der Regel gar nicht mehr.

HT Herr Benke, wie sehen Sie das denn aus Ihrer Beratungspraxis? Was ist die Minimalausstattung für Teams, die jetzt remote miteinander arbeiten müssen? Gibt es eine Art Grundausstattung?

IB Grundsätzlich nein. Ich glaube, Frau Hofmann hat das schon sehr, sehr gut zusammengefasst. Aus unserer Sicht und auch aus meiner persönlichen ist hier, glaube ich, jede Investition eine gute Investition. Also, einerseits aus Mitarbeiter-, ergonomischer und Wohlbefinden-Sicht, das ist ganz klar so. Und auf der anderen Seite dann auch wirklich hinsichtlich Produktivität und Unternehmenserfolg. Also, jede Investition, die man hier macht, ist eine positive Investition und zahlt sich in der Regel am Ende aus. Natürlich kann man, muss man auch unterschiedlichen Kontexten und unterschiedlichen Unternehmen da einfach Tribut zollen. Das kann nicht jeder leisten. Aber der Arbeitsplatz, der sollte diesen grundsätzlichen Bedingungen entsprechen. Es gibt eine sehr bekannte Studie, die ein Professor aus Stanford im Jahr 2014 gemacht hat, die wird sehr oft zitiert zum Thema Homeoffice und wurde mit einem Unternehmen aus China eine Homeoffice-Studie gemacht mit tausend Teilnehmern. Und dort konnte eben 13 Prozent Anstieg wirklich unter diesen Bedingungen an Produktivität gemessen werden, aber nur unter der Bedingung, dass der Arbeitsplatz perfekt eingerichtet ist. Dass eben Sie auch Ruhe haben, dass Sie verschiedene Störfaktoren ausgrenzen können und eben dadurch diese Steigerung erreichen können, die wir auch dann haben wollen. Deswegen würde ich ganz klar zusammenfassen: extrem sinnvolle Investition und auch sehr ratsam.

HT Wir haben schon gesundheitliche Aspekte angesprochen. Welche Belastungen bringt dezentrales Arbeiten noch mit sich? Es gibt ja den neuen Begriff der Zoom Fatigue. Also diese Ermüdung, wenn ich x Videokonferenzen über den Tag hatte. Was wissen Sie aus Ihrer Forschung darüber? Und wie beugt man gesundheitlichen Schäden vor?

JH Generell hat man natürlich erst mal dieses ganz große Thema mit Überbegriff Entgrenzung, das sicherlich auch mittel- bis langfristig tatsächlich wirkt, also die Effekte, die wir sehen können, dass Leute, die jetzt zum Beispiel von daheim aus arbeiten oder also nicht mehr so in diesen Büroalltag eingebunden sind mit Kollegen und damit auch letztlich vielleicht auch ein Stückchen unter einer gewissen, ich würde mal sagen, sozialen Kontrolle, also auch durchaus wohlgemeint, stehen, dass die manchmal dazu neigen, zum Beispiel Arbeitszeiten zu stark auszudehnen, zu viel zu arbeiten und sich auch zurückzuziehen. Und das weiß man mittlerweile. Es gibt da sehr belastbare Studien seit einigen Jahren, die auch jährlich veröffentlicht werden, dass man einfach sagen muss arbeitswissenschaftlich: Um gut arbeiten zu können, muss man gut erholt sein. Und um gut erholt zu sein, muss man erst mal abschalten können. Also, ich würde schon erwarten, in einer wie auch immer gearteten Nach-Corona-Zeit – wann immer das jetzt genau anfängt, weiß ja keiner –, dass man dann, glaube ich, schon deutlich mehr auch in diesen Arbeitsformen unterwegs sein wird. Das wissen wir auch aus eigenen Studien. Das sind auch viele Anfragen, die uns gerade erreichen, wie man das jetzt gut gestaltet. Und dass man natürlich auch lernt, zum Beispiel so eine Zoom-Konferenz so zu gestalten, dass man nicht nach anderthalb Stunden tot ist sozusagen. Also, das liegt auch an einer guten Moderation. Das liegt an einer guten Pausengestaltung, an einer adäquaten Länge. Und da lernen wir gerade ja alle jeden Tag dazu, was gut funktioniert und was nicht gut funktioniert. Also, das ist so für uns so die Medienkompetenz im weitesten Sinne, wo wir, glaube ich, einiges draufgeschafft haben. Und wo man aber auch noch viel dazu machen kann und eigentlich auch viel probieren muss und sollte, damit es einfach auch für alle gut funktioniert.

HT Herr Benke, was sind Ihre Empfehlungen? Was macht ein gutes Remote-Meeting aus?

IB Ich glaube, das ist ein sehr vielschichtiges Problem. Ich glaube, die Mischung macht’s. Also, man sollte sich an die eigene Nase fassen und versuchen, sich klare Regeln zu setzen, vielleicht auch morgens vor die Tür zu gehen, einmal um den Block. Das hilft schon, damit Sie in den Arbeitsmodus kommen. Auch was Sie, Frau Hofmann gerade angesprochen haben, dass man eben klar trennen kann, Arbeit und Privates, ist sehr, sehr wichtig, einfach um abzuschalten. Es ist einfach anders, wenn man sich nicht mehr regelmäßig sieht in der Beziehung zwischen dem Chef und dem Mitarbeiter im Team. Dass man vielleicht regelmäßiger einfach mal Eins-zu-eins-Gespräche auch hat, wenn die auch virtuell sind zumindest. Das sind so ganz klare Dinge, die dann auch in die Verantwortung des Unternehmens fallen, auf die man sich einstellen muss und da eben auch Anpassungen vornehmen sollte.

HT Wie verändert sich denn da die Rolle von Führung? Führungskräfte können bei Remote Work nicht mehr direkt erkennen, wie es ihren einzelnen Teammitgliedern geht. Was für Skills braucht eine Führungskraft heute und wie kann sie diese erwerben?

IB Ich glaube, grundsätzlich ist das Ziel der Führungskraft ja immer gleich. Also, es geht um den Unternehmenserfolg und gleichzeitig, dass die Mitarbeiter sich wohlfühlen im Sinne von dass sie eben sich bei dem Unternehmen gut aufgehoben fühlen. Jetzt ist natürlich eine komplett neue Situation, und die Umsetzung ist dadurch schwerer oder anders. Ich denke, es braucht einfach eine gewisse Offenheit und Mut, Dinge umzusetzen und anzuregen. Natürlich ist es so, dass Sie versuchen müssen, alle Mitarbeiter irgendwo im Boot zu halten. Sie können aber jetzt in einem mittelgroßen Unternehmen nicht jeden einzelnen ansprechen. Das ist nicht möglich. Man muss ganz stark aufpassen, dass man Leute nicht verliert, weil, wenn Leute, Mitarbeiter einfach nicht mehr so präsent sind, weil sogar der physische, komplette Kontakt nicht nur fehlt, weil man sie nie mehr sieht, dann sind sie wirklich verloren. Dann gehen die unter Umständen unter, und da muss man entgegenwirken.

JH Also, ich würde es ergänzen. Ich glaube schon, dass sich die Führungsrolle ein Stück weit verändert. Ich denke, dass sie vor allem deutlich mehr Kommunikationsarbeit machen muss. Und die muss sie in Teilen dann dennoch zumindestens mal so gut es geht mehr auch in one-on-one, also dann doch wieder mehr bilateral, machen. Das beobachten wir tatsächlich auch, dass gerade bei Führungskräften, die im größeren Stil in solchen Kontexten führen, zum Beispiel wieder vermehrt auch bilaterale Rücksprachen machen, auch nur ganz kurz, aber regelmäßig, weil sie sagen, ich verlier die sonst sozusagen. Und ich glaube, es ist eine große Aufgabe, eben auch wirklich medienkompetent in diesen Medien selber unterwegs zu sein, sich vielleicht auch mal als Führungskraft erst mal selber zu fragen – und das tun wir auch, das ist immer sehr, sehr illustrativ und ist auch sehr, sehr gut –, dass wir die erst mal versuchen, mit ein paar Fragen in die Reflexion zu bringen, wie denn eigentlich auch ihr eigenes Wahrnehmungs- und Führungsverhalten ist. Also, wir fragen die: Mensch, woran erkennst du eigentlich gute Leistung oder woran erkennst du schlechte Stimmung in deinem Team?

HT Wir hatten vorhin ganz kurz über Investitionen gesprochen. Frau Hofmann, die technische Ausstattung ist das eine, um reibungslos remote und dezentral arbeiten zu können. Aber es geht auch darum, Führungskräfte und ihre Teams zu schulen, damit sie ein Verständnis für diese neuen Arbeitsweisen und Führungsstile entwickeln, oder?

JH Ja, genau. Also, Zeit zu geben und einfach überhaupt mal herauszuarbeiten, dass da Veränderungen notwendig sind, die auch Zeit kosten und dass man drüber nachdenken muss. Ob Sie das jetzt Schulung nennen oder Sensibilisierung oder gemeinsame Entwicklungszeit, sei jetzt mal dahingestellt. Aber ich meine, das findet halt einfach nicht statt. Also, Medienkompetenz sieht heute so aus: Sie kriegen ein Videokonferenzsystem. Und dann kriegen Sie gezeigt, wie man das anmacht, ja, und wie man es wieder ausmacht. Und dann sind Sie schon ganz happy, dass es tut. Und das war’s dann. Aber wie man jetzt zum Beispiel schon allein mit einer guten Ausleuchtung, mit einer guten Tongestaltung, mit einer adäquaten Moderation in Kommunikationssituationen auch sinnvoll Arbeit macht, ohne nicht alle abzutöten, das lernt man dann ja schon oft nicht mehr. Was aber dringend nottäte, wenn man sich anguckt, wie viel Zeit wir alle in solchen Kommunikationssituationen verbringen … Also, ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen Tag für Tag in superschlecht moderierten Audiokonferenzen vor sich hin leiden und nichts richtig mitkriegen und nebenher alles mögliche andere machen, weil sie es kaum noch ertragen. Produktiv ist das nicht.

HT Herr Benke, welche Notwendigkeit besteht aus Ihrer Sicht? Brauchen wir mehr Schulung?

IB Ich sehe sehr großes Potenzial darin, verstärkt in Schulungen und eben in diese Soft Skills in diesem Bereich auch zu setzen. Einfach, weil es essenziell ist. Also, es ist die Zukunft. Wir werden so arbeiten. Es wird immer so sein, und es wird noch verstärkt so werden. Also, die Technik wird sich weiterentwickeln. Es wird vielleicht noch Augmented Reality oder vielleicht sogar Virtual Reality in 20 Jahren hinzukommen. Und da sollte man darauf vorbereitet sein, wenn man irgendwo nicht überholt werden will. Das zum einen. Und man darf natürlich nie vergessen, dass es ja ganz unterschiedliche Grade an Erfahrung gibt. Also, manche Menschen sind jetzt 25, sind super digitalisiert, kennen alle Apps und haben Programmcode in der Schule schreiben gelernt. Und andere sind vielleicht älter und kennen sich nicht so aus oder sind in Bereichen tätig, wo so etwas einfach nicht so notwendig ist bisher. Und sind jetzt vollkommen auf sich selbst gestellt und gerade da sollte eine gemeinsame Basis ansetzen, um halt eben auch auf dem breiten Bereich gut aufgestellt zu sein und nicht nur in der Spitze.

HT Bilden sich denn auch ganz andere Strukturen in Unternehmen heraus? Also, muss ich jetzt eigentlich auch anfangen, mal die Struktur meines Unternehmens zu überdenken?

JH Also, wenn ich jetzt mal sagen dürfte: Ich fänd’s nicht schlecht! Ich muss allerdings sagen, es ist deutlich leichter, über eine Ortsverlagerung von Arbeitsplätzen zu reden. Trotzdem, obwohl auch das ein Quantensprung ist für viele Unternehmen. Aber ich sage jetzt mal, an etablierte Organisationsstrukturen ranzugehen und damit vielleicht sogar Machtverhältnisse zu verändern, das ist noch mal ein ganz anderes Brett, das Sie da bohren. Muss man einfach sagen. Also, das ist sicherlich angesagt. Und ich glaube, was wir ja auch gerade so erlebt haben in den letzten Monaten. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, Herr Benke; ich finde, man hat schon so einen Trend gesehen.

IB Also, ich schließe mich da auch an. Ich würde sagen, das ist ein ganz anderes Ding, wenn man jetzt anfängt zu sagen, wir ändern jetzt wirklich Organigramme und Abteilungsstrukturen, und im Gegensatz dazu sagt, wir haben jetzt unser Meeting von Montag auf Freitag verlegt und auf eine halbe Stunde gekürzt. Das ist wirklich ein ganz, ganz anderes Level. Ich glaube, man sieht es schon in gewisser Weise. Wir dürfen uns da vielleicht auch nicht verstecken. Es passiert. Also, es bilden sich neue Positionen und auch neue Arbeitsbezeichnungen. Meistens werden sie englisch, aber sie werden auch anders, also Digitalisierungsoffizier und wie sie auch immer heißen, und verschiedene Stabsrollen, die sich genau darum kümmern und solche Dinge eben mit einbeziehen. Aber wir sind noch nicht an dem Punkt, dass man sagt, da ist ein ganz klarer, großer Trend zu erkennen. In der operativen Ebene wiederum würde ich auch sagen, dass man es schon sieht. Wir haben zum Beispiel viel mehr Kommunikation über diese Medien wie Slack oder Microsoft Teams. Dort ist es schon anders organisiert. Man kommuniziert mehr textbasiert, gerade bei kurzen Informationen, gerade wenn es schnell gehen muss, auch wenn man ganz nah beieinandersitzt und auch die Kommunikation in diesen Tools ist anders.

HT Kann mir Technik dabei helfen, mein Team bzw. meine Teams besser im Blick zu haben und auch früh zu merken, wenn die Zusammenarbeit hakt oder die Stimmung schlecht ist? Gibt es zum Beispiel KI- oder Machine-Learning-Systeme, die mir sagen können: Hier läuft es nicht, hier muss ich eingreifen?

IB Natürlich, das gibt’s. Da wird sehr viel dran gearbeitet. Und auch wir und ich arbeite dort an an diesen Themen, also Emotionserkennung in Kommunikation, auch im breiteren Maße. Sehr wichtig ist es, hier immer zu sagen, dass der Datenschutz da ganz primären Fokus hat. Das ist die Voraussetzung, dass man so etwas macht. Es geht auch nie darum, den Mitarbeiter zu überwachen. Aber die Technologie bietet hier große Möglichkeiten. Also, es gibt bereits Anwendungen, die so etwas machen. Microsoft hat eben dieses Workplace Analytics Tool beispielsweise. Wir fokussieren uns vor allem aber auch darauf, dem Mitarbeiter individuelle Unterstützung zu geben, also, ihm vielleicht zu helfen, eine gewisse Aufmerksamkeit darauf zu erzeugen: Okay, vielleicht warst du nicht so engagiert oder fühlst dich nicht so gut. Ja, dort einfach ein bisschen für sich die richtigen Schlüsse zu ziehen, ohne jetzt möglicherweise Technologien zu entwickeln, die dann auch falsch genutzt werden können.

HT Wenn ich immer mehr chatte und maile, bietet das ja auch immer mehr Potenzial für Missverständnisse, die sich vielleicht auch hochschaukeln. Wie vermeide ich denn solche Kettenreaktionen im Unternehmen?

IB Ja, das ist sehr interessant. Zum einen entwickeln wir dafür Technologien. Ich habe zum Beispiel einen Chat Bot, also einen konversationalen Agenten, wie Sie ihn so kennen, entwickelt, der sowas erfährt, erkennt und dann eingreift. Also, wirklich mal im Labor haben wir da ein Experiment gemacht und diesen Chat Bot entwickelt und dann gesehen, dass diese emotionale Wahrnehmung gesteigert werden kann – und natürlich auch Regulation. Also, durch technische Intervention ist das sehr gut möglich. Und auf der anderen Seite muss man natürlich sagen: Mit der Länge, mit der Zeit, mit der Mitarbeiter und auch Menschen einfach mit diesen Tools interagieren, wird man auch gewisserweise reifer. Also, man wird aufmerksamer für Chat Fouls, passt sich an – außer es gibt immer Extreme, muss man sagen, das kann man nie ausklammern. Ich glaube aber, die Menschen werden besser mit diesen Tools umgehen. Und auf der anderen Seite können wir dem entgegenwirken, indem wir auch die Technologie dementsprechend gestalten: Beispielsweise den Kanal erweitern, also, die Möglichkeit geben, die Emotion besser zu transportieren. Das ist jetzt schon okay. Sie sehen mich, Sie sehen meine Mimik. Ich versuche, ein bisschen Gestik zu machen. Aber natürlich noch nicht so, wie wenn wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Und dort ist sicherlich noch Raum für Verbesserung.

HT Zum Abschluss hätte ich gern Ihre drei besten Tipps, wie ich mein Unternehmen in dieser Zeit fit mache. Das kann ein Tool sein, das ich unbedingt kennen muss. Das kann ein Arbeits-Hack sein oder ein Tipp, wie ich mit Mitmenschen umgehe.

JH Ja, also ich würde mal sagen, gerade vielleicht auch an Unternehmer gerichtet: ins Gespräch gehen mit Leuten, die das jeden Tag gemacht haben, gute Erfahrungen zur Kenntnis nehmen und Schwachstellen definitiv aufspüren. Ich glaube, es gibt eine gute Gelegenheit, sich dafür interessieren, wie es funktioniert hat, gemeinsame Erfolge feiern und auf der Basis gut überlegen, wie man vielleicht auch mit dann doch überschaubaren zum Beispiel technologischen Investitionen, Stichwort kleine Endgeräte oder Ähnlichem, morgen schon einen Unterschied machen kann.

HT Herr Benke?

IB Ich glaube, wenn man jetzt sich gerade auch ganz konkret auf Video Conferencing und diese Kommunikationsmedien bezieht, dann ist Vorbereitung wie bei vielem alles oder sehr, sehr wichtig. Also, auch hier Schulungen, Regelungen, Investitionen in diese Skills. Das bringt sehr viel, auch auf breiter Basis. Und ich habe mir noch mal Gedanken gemacht, wie kann man so ein Zoom-Meeting zum Beispiel unterstützen. Das ist dann einfach ein kleiner Hack, was ich ganz gern mag, sind so digitale Whiteboards. Weil man oft mit einem Team, mit gleichen Teams oft zusammenarbeitet, ist das oft sehr nett. Wir haben es gerade letztens auch im Gespräch mit einem großen Unternehmen benutzt, mit einem UX-Team, also User Experience Team, die arbeiten sehr viel mit so digitalen Whiteboards wie Miro oder Mural als Beispiel. Das ist auch ganz angenehm, weil jeder darauf zugreifen kann und mitarbeiten kann.

HT Vielen Dank, Josephine Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, und auch an Ivo Benke, vom Karlsruher Institut für Technologie! Wir haben über die Vorteile und die Herausforderungen des dezentralen Arbeitens gesprochen.

IB Vielen Dank!

HT In der kommenden Folge geht es um ein weiteres essenzielles Thema für kleine und mittlere Unternehmen, das insbesondere mit der Datenschutzgrundverordnung DSGVO an Bedeutung gewonnen hat: das Potenzial von Daten – aber auch deren Schutz. Wir wollen klären, welche Herausforderungen Datenschutz mit sich bringt und wie sich diese technisch und rechtlich am besten meistern lassen.

Das war Zukunft:digital – ein Podcast der KfW-Bankengruppe. Wollen auch Sie Digitalisierung und Innovation in Ihrem Unternehmen vorantreiben? Die KfW unterstützt Sie dabei – mit attraktiven Krediten und Förderzuschüssen. Erfahren Sie mehr auf kfw.de/digitalisieren.

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