Faktor Mensch – so gelingen Veränderungen
Shownotes
Nicht nur langfristige Trends wie die Digitalisierung, sondern auch die aktuelle wirtschaftliche Lage führen dazu, dass Unternehmen Bestehendes hinterfragen und das eigene Geschäftsmodell oder bestehende Prozesse überdenken. Doch nicht immer laufen die daraus resultierenden Transformationsprozesse wie geplant ab. Die Mitarbeitenden – mit ihren Sorgen und Nöten, aber auch mit ihrer Kreativität und ihrer Veränderungsbereitschaft – werden häufig nicht ausreichend einbezogen. Wie lassen sich Veränderungsprozesse erfolgreich gestalten und welche Rolle spielen Mitarbeitende und Führungskräfte?
Das beleuchten wir im Gespräch mit zwei Fachleuten: Dagmar Fritz-Kramer, Geschäftsführerin des mittelständischen Fertighausherstellers Baufritz, und Prof. Dr. Dieter Frey, Professor für Sozial- und Wirtschaftspsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Leiter des Center for Leadership and People Management.
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DFK Es gibt immer diejenigen, die da gerne bewegen wollen. Also ich bezeichne das immer als die Beweger und die Bewahrer. Und wenn die Masse der Beweger mal größer ist als die der Bewahrer, dann gehen die anderen auch ein Stück weit leichter mit.
DF Führen ist immer auch ein Management von Enttäuschungen. Oder man kann es sogar noch weiter sagen: Leben ist ein Management von Enttäuschungen. Und Teamspirit ist auch ein Management von Enttäuschungen, ja? Immer ein Umgang mit nichtidealen Bedingungen.
Zukunft:digital, der Podcast der KfW zu Digitalisierung und Innovation
HT Ob Klimaneutralität oder Digitalisierung – vielerorts wird der Ruf nach einem Wandel laut. Umdenken ist nicht nur auf privater, sondern auch auf beruflicher Ebene gefragt. Denn in vielen Unternehmen steht das Stichwort „Transformation“ weit oben auf der Agenda der kommenden Jahre. Doch wie gestaltet man solche Veränderungsprozesse erfolgreich? Und welche Rolle spielt der Faktor Mensch dabei? Darüber spreche ich heute mit der Geschäftsführerin eines wandlungsfähigen Familienunternehmens und mit einem Professor für Sozialpsychologie, der sich unter anderem auf Change Management spezialisiert hat. Herzlich willkommen, sagt Holger Thurm!
HT Dagmar Fritz-Kramer ist Geschäftsführerin von Baufritz, einem mittelständischen Fertighaushersteller. Das Familienunternehmen wurde vor mehr als 120 Jahren von ihrem Urgroßvater gegründet und hat sich auf das ökologische Bauen spezialisiert. Schön, Sie zu Gast zu haben, Frau Fritz-Kramer, hallo!
DFK Hallo! Ich freue mich sehr, dass ich heute dabei sein darf.
HT Prof. Dr. Dieter Frey ist Professor für Sozial- und Wirtschaftspsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und leitet dort das Center for Leadership and People Management. Er ist unter anderem Experte für die Themen Entscheidungsverhalten, Change Management und Innovation. Guten Tag, Herr Frey!
DF Guten Tag!
HT Frau Fritz-Kramer, wir wollen heute über Veränderungsprozesse und dabei die Rolle des einzelnen Menschen sprechen. Bei einem Unternehmen, das vom Urgroßvater gegründet wurde und 120 Jahre bereits existiert, ist das natürlich ein ganz besonderes Thema. Bevor wir tiefer einsteigen, würde ich Sie gerne fragen: Mögen Sie selbst Veränderungen?
DFK Also grundsätzlich mag ich Veränderungen recht gern, wenn ich sie selber mitgestalten kann. Wenn sie so ein bisschen über mich hereinbrechen, tue ich mich ein bisschen schwer damit.
HT Und wie ist das bei Ihnen, Herr Professor Frey? Mögen Sie Veränderungen?
DF Das kommt ganz darauf an, eigentlich eher nicht, wenn es mit viel Aufwand verbunden ist, wie zum Beispiel, dass man sich ziemlich einarbeiten muss in die neue Technologie. Ich mag dann Veränderungen, wenn ein Leidensdruck oder eine Einsicht da ist, sodass man sieht: Ach, durch die Veränderung wird der Zustand wesentlich besser. Dann akzeptiere ich sie und dann bringe ich sie auch voran.
HT Bei vielen mittelständischen Unternehmen ist derzeit ja einiges im Umbruch. Frau Fritz-Kramer, ist aus Ihrer Sicht ein Wandel bzw. ein Umdenken im Mittelstand erforderlich, oder ist das schon längst im Gange?
DFK Oh, ich denke, da ist schon ganz viel im Gange. Wir müssen uns ja täglich auf die neuen Situationen einstellen. Gerade wenn man an die Themen in den letzten zwei Jahren denkt, kam ja vieles auf uns zu, wo wir uns ganz schnell darauf vorbereiten mussten. Ich glaube, wir sind schon relativ anpassungsfähig geworden. Allerdings ist es so ein bisschen reaktiv. Also ich finde, das aktive Gestalten, das kam jetzt, glaube ich, in den letzten Jahren noch ein bisschen zu kurz, weil man gar nicht ins Nachdenken kam. Aber ich glaube, jetzt ist die Zeit, wo wir langsam auch so ins aktive Umgestalten kommen, und da fehlt das Handwerkszeug ein Stück weit, glaube ich. Das macht man so ein bisschen Learning by Doing im Mittelstand, und ich glaube, da gäbe es noch ein bisschen Verbesserungspotenzial.
HT Herr Professor Frey, wie gut macht sich der Mittelstand Ihrer Meinung nach?
DF Ja ich glaube, wir alle stehen im Moment vor Riesenherausforderungen nach Pandemie, Krieg, Inflation, wirtschaftliche Rezession, die bevorsteht, Ängste. Und wir sehen das sowohl an der Universität wie in vielen Unternehmen: dass die Menschen total verunsichert sind, dass sie sagen: „Ich bin erschöpft, ich weiß nicht mehr, wie die Zukunft aussieht.“ Und es ist ganz wichtig, als Führungskraft die Menschen mitzunehmen, die Ganzheitlichkeit des Menschen zu betrachten. Wir beginnen keine Sitzung, ohne zu fragen, also keine Wochensitzung: „Wie geht’s dir? Wie kommst du zurecht?“ Einfach damit die Leute sehen: Ich kann auch meine privaten Probleme auch außerhalb der Arbeit hier ansprechen, was mir Sorgen macht. Und es ist ganz wichtig, dieses anzusprechen und dann zu überlegen: Wie können wir uns auch gegenseitig helfen und wie können wir die Herausforderungen, die wir in der Arbeit haben, gut bewältigen? Das ist, glaube ich, eine ganz wichtige Führungsaufgabe im Moment: die Ganzheitlichkeit zu sehen, dass sich jeder gehört und gesehen fühlt und dass man da Hilfe zur Selbsthilfe gibt, will ich es mal formulieren, in der jetzigen Zeit.
HT Wir kommen auf das Thema Führungskräfte in diesem Zusammenhang auf jeden Fall noch zu sprechen. Ich würde jetzt gern erst mal die Situation mit Blick auf Baufritz betrachten. Wie sehen Sie die Situation?
DFK Also ich sehe sie grundsätzlich positiv. Wir sind ja in einer Branche unterwegs, die zwar einem großen Wandel unterworfen ist, aber diesem Wandel natürlich auch gut begegnen kann. Wir sind natürlich ein nachhaltiges Unternehmen. Schon viele Jahre arbeiten wir einfach auch in den Themen, die die Zukunft einfach auch ein Stück weit mit sich bringt. Wir arbeiten mit einem nachwachsenden Rohstoff. Wir überlegen uns schon lange, das Bauen anders zu denken, als man das jetzt vielleicht aktuell tut. Also einfach auf die Zukunft hin gerichtet. Und damit hätte ich so das Gefühl, wir sind im Moment nicht so schlecht unterwegs. Allerdings beschäftigen uns natürlich auch alle anderen Themen, also sprich: das Thema Digitalisierung, wo die Jungen natürlich ganz heiß drauf sind, die Älteren sich noch ein bisschen zurückhalten mit der Begeisterung. Also da haben wir natürlich schon Themen, wo einfach die unterschiedlichen Menschen auch mit unterschiedlicher Motivation an diese Veränderung herangehen. Und man muss natürlich auf alles, was von außen kommt, reagieren, aber auch eben auf die Unsicherheiten im Unternehmen und der Menschen, die da drin arbeiten. Und die sind natürlich ganz, ganz unterschiedlich, die Sorgen, die die Menschen da haben, in diesem Wandel.
DF Und es ist, glaube ich, ganz wichtig, wie Sie sagen, dass man dieses mit den Menschen anspricht, die total heterogenen Sorgen, Probleme. Sie haben Digitalisierung angesprochen, aber sie müssen auch laufend sich verbessern. Dass man regelmäßig im Team fragt, weitere … also dass man die Probleme identifiziert und dann aber auch immer schaut: Wo haben wir Lösungen, wo können wir uns helfen, wo müssen wir besser werden? Ich glaube, das beruhigt die Menschen auch, dass sie die Probleme nicht in sich reinfressen müssen, sondern dass man darüber reden kann. Immer natürlich – das höre ich bei Ihnen sofort raus – lösungsorientiert. Also wir verbinden Probleme immer mit Lösungen.
HT Also der Faktor Mensch ist ja jetzt schon mehrfach zur Sprache gekommen. Es heißt ja immer, der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Er verändert sich nicht gern. Sich verändern sollen, Herr Professor Frey, ist das eine. Sich verändern wollen ist ganz was anderes. Wie sehen Sie als Psychologe diese aktuelle Situation und die Herausforderungen, die sich da auch an Führungskräfte stellen?
DF Also ich sage ja immer: Wer Leistungen, Veränderungen fordert, muss Sinn bieten. Also das heißt, die Sinnfrage ist eine ganz entscheidende Frage. Das heißt: Gelingt es mir – und Führen ist ja auch zu 80 Prozent Kommunikation –, gelingt es mir, meine Leute zu überzeugen, warum man sich ändern muss und wozu das gut ist? Und ich gehe da immer von einem Dreieck aus für ein erfolgreiches Unternehmen. Wir reden von einer Exzellenz-Kultur. Wir wollen top sein, exzellent, hohe Qualität, Innovation, nachhaltig. Aber ich gebe als zweite Kultur auch eine Kultur von Wertschätzung, humanistische Grundlagen. Das heißt, dass der Mensch sich ernst genommen fühlt. Und die dritte Säule in dem Dreieck ist ethikorientierte Führung, also Vorbild, Verantwortung, Verpflichtung, Vertrauen. Und die Kunst von Führung ist es, Exzellenz mit Menschenwürde zusammenzubringen oder Exzellenz mit Ethik zusammenzubringen und die Menschen zu überzeugen, dass man nur dadurch erfolgreich bleiben kann. Wenn der Mensch sich nicht geachtet fühlt, wird er auch nie Qualität und Spitzenleistungen und Innovationen bringen.
HT Frau Fritz-Kramer, wie sieht’s denn aus mit Exzellenz und Ethik und mit Führungskraft als Vorbild? Haben Sie Visionen? Können Sie Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mitnehmen?
DFK Also ich halte das für das Allerwichtigste: dass es auf jeden Fall gelingt, den Mitarbeitern, den Menschen im Unternehmen eine Perspektive aufzuzeigen, wo es denn hingehen soll. Also ohne Ziel und ohne sinnvoll verstandenes Ziel bewegt sich niemand. Also wenn ich nicht sage, ich möchte zu diesem Ufer fahren, dann fahren wir alle irgendwohin, aber nicht dahin, und wir fangen auch nicht gern an zu fahren. Also ich glaube einfach, dass … es muss schon gelingen – und das versuche ich natürlich auch –, diese Zielrichtung ein Stück weit auch gut zu beschreiben und aufzuzeigen und was damit verbunden sein muss, warum wir das machen, warum der Weg dahin gemacht werden muss. Und ich hoffe natürlich auch, dass meine Mitarbeiter da ein bisschen was auch dazu beitragen, weil schlussendlich ist ja auch dem Unternehmer oft nicht so ganz klar, wo es hingehen muss. Und sobald man natürlich aber irgendwo nur eine Reise angetreten hat, entstehen ja auch Bilder bei den Mitarbeitern, und die muss man natürlich auch mitnehmen, weil dann kommt bei denen natürlich auch das Gefühl auf: „Ich gestalte da ja an der Zukunft auch ein bisschen was mit“. Also, alleine vorauszugehen und dann den großen Abstand zu haben und die anderen dann hinter sich zu verlieren, ist auch ein Problem.
DF Ich kann Sie nur unterstützen, Frau Kramer, was Sie eben gesagt haben. Ich sage immer: Alleine erreicht Führung gar nichts. Man braucht das Team, das man mitnehmen muss. Und oft braucht man auch die Multiplikatoren im Team, die der Führungskraft vielleicht auch sagen, wo die Führungskraft falsch liegt. Also das heißt, wir brauchen – ich nenne es mal – eine Hierarchie, freie Kommunikation, wo das Argument zählt und nicht die Position, die jemand hat. Und man kann sich glücklich schätzen, ein Team zu haben, das genauso … dieselben Werte hat wie der Unternehmer selber, nämlich: Wir wollen top sein, wir wollen total innovativ sein, wir wollen die regional oder weltweit Besten sein. Und dass es so was wie eine intrinsische Motivation gibt, dass, wer mit Druck und Angst arbeiten muss, der hat allemal verloren, sage ich. Ich muss die Leute beteiligen. Und die sollen auch ihre Meinung permanent sagen können, wenn sie Verbesserungsvorschläge haben.
HT Jetzt hat Herr Professor Frey schon vorhin den Kulturbegriff in die Debatte eingeführt. Er sprach gar von humanistischer Kultur. Wie wird das bei Baufritz denn umgesetzt? Haben Sie da Methoden, die Sie anwenden?
DFK Also ich würde sagen, wir haben eine relativ moderne Gesprächskultur. Wir arbeiten in sogenannten Denkerrunden, wo wir auch, sage ich mal, gar nicht nur Menschen drin haben, die jetzt irgendwelche Führungspositionen haben, sondern wenn das Problem einfach identifiziert ist, holt man am liebsten die Leute, die am nächsten am Problem sitzen. Das ist, glaube ich, relativ – wie Sie so schön sagen, Herr Frey –, eine relativ hierarchiefreie Kommunikation in der Thematik, weil man dann einfach auf der Sachebene relativ eng arbeiten kann. Also ich glaube, durch diese durchmischten Gruppen kommen wir, glaube ich, in den Lösungen schneller voran. Trotzdem muss man schauen, dass man natürlich die Ideen nicht zerredet – oder irgendwann muss man ja auch mal losprobieren und manche Dinge muss man einfach mal … da muss es ja noch nicht ausgearbeitet sein, sondern einfach mal losmarschieren, was ausprobieren. Da darf man auch mal scheitern, das ist kein Thema. Das, glaube ich, gehört auch dazu. Aber wenn man was bewegen will, ist auch klar, dann muss man einfach mal einen ersten Schritt machen.
DF Wenn ich so die Innovationsforschung sehe, dann bringen Sie da zwei, drei ganz wichtige Bausteine. Erstens: Nicht nur der Einzelne soll denken, natürlich brauchen wir auch den Kreativen, aber sondern die Gruppe, die sich gegenseitig ergänzt. Das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass die Gruppe – Ihre sogenannte Denkergruppe –, dass die laufend reflektiert, je nach Thema: Was läuft gut schon auf dem Thema und dem Problem, was läuft noch nicht gut und wie können wir uns verbessern? Und was mir auch sehr gut gefällt: Wir experimentieren, wir machen Fehler, wir fangen einfach an. Und das ist, glaube ich, ganz wichtig, denn wir wissen: Ganz viele kreative Dinge scheitern an der Realität. Aber umso mehr muss man erneut die Chance haben, noch mal zu probieren, noch mal anzufangen. Das ist in jedem Experiment der Physik so, bei uns in der Psychologie ähnlich. Das ist so ganz selten linear, dass dann ein Verbesserungs- oder ein Innovationsprozess linear abläuft: Umwege, Fehler, noch mal zurück, Misserfolge. Und da ist die Kunst, eine Kultur zu haben, genau dieses zu akzeptieren. Und da geht natürlich Führung immer voraus.
HT Frau Fritz-Kramer, dass sich Unternehmen wandeln müssen oder wandeln wollen, ist ja jetzt auch kein neues Thema. Sie haben schon als Kind die Transformation des Familienunternehmens mitbekommen. Ende der 70er-Jahre hat Ihr Vater begonnen, Baufritz auf den Bau von ökologischen Häusern auszurichten. Wie kam es dazu und wie haben Sie diesen Wandel erlebt?
DFK Ja, es war kein strategisches Thema, sondern eigentlich ein persönlicher Schicksalsschlag. Meine Mama war sehr schwer an Krebs erkrankt, und wir haben damals in unserem persönlichen Umfeld einfach Wohngifte ausgemacht. Wir hatten ein altes Haus aus den 70er-Jahren – da war natürlich alles Mögliche verbaut, was man damals für toll empfand, also Xyladecor verstrichen, Mineralwolle ohne Schutz im Dach und so weiter, also Formaldehydthemen und so weiter. Und sie hat einfach auf diese Stoffe reagiert. Und dann war unsere persönliche Situation einfach die, dass wir uns verändern mussten. Und dann kam eben wirklich aus diesem persönlichen Schicksalsschlag heraus wirklich der ganz schnelle Handlungsbedarf. Und dann haben wir versucht, einfach Alternativmaterialien zu suchen, uns alternativ zu versorgen. Wir haben … waren die Hardcore-Ökos im Dorf. Haben dann Klärteich, Komposttoilette, schwarze Schläuche auf dem Dach … also so richtig wild, ja? Nichtsdestotrotz war uns klar, wir müssen uns da verändern, und haben dann ein Stück weit auch die ganze Firma mitgezogen. Also Mitarbeiter haben dann im Keller Ökogemüse verkauft – also es war richtig lustig. Und das waren so die Anfänge. Aber die Überzeugung, dass sich was ändern muss und dass wir in der heutigen Welt, wie wir sie heute bauen und wie wir heute Lebensmittel konsumieren, dass das so nicht mehr passieren darf, das war bei allen sehr präsent. Und damit war auch dieser Sinn des Wandels, glaube ich, im Unternehmen sehr stark spürbar. Und da hat sich ein Stück weit eine Eigendynamik dann entwickelt. Also wie gesagt, also Leute aus dem Unternehmen haben ihr privates Umfeld dann auch umgestaltet, die haben auch dann mit Ökodämmstoffen gedämmt – und es gab ja damals auch noch nix, aber da hat man halt selber gebastelt und … Also es war so eine Eigendynamik. Und ich glaube, natürlich ist so ein Schicksalsschlag, glaube ich, nur ein Beschleuniger für so Megathemen, die sowieso so ein bisschen da sind. Und ich glaube, das kann dann auch wirklich – so schlimm solche Sachen sind – dann auch zu einem wirklich schnellen und vielleicht auch positiven Wandel führen.
HT Sie sagen Hardcore-Öko. Heute könnte man ja rückwirkend betrachtet sagen: Trendsetter. Denn das, was Sie damals betrieben haben, ist heute fast schon gang und gäbe. Seit 2004 sind Sie nun selbst Geschäftsführerin von Baufritz. In dieser Zeit haben Sie die Firma neu positioniert. Die Fertighäuser von Baufritz sind inzwischen nicht nur für ihre Nachhaltigkeit bekannt, sondern auch für ihre Funktionalität, ihr Design. Wie lief denn dieser Veränderungsprozess, also wie konnten Sie die Belegschaft von diesem Wandel überzeugen? Das klingt ja so, als ob Sie offene Türen einrannten.
DFK Ja, ein bisschen schon, weil wir durften natürlich auch ein schönes Wachstum haben. Das heißt, die Firma konnte sich neue, junge Kräfte leisten wie mich oder meine Kollegen. Und wir bringen natürlich eine andere Sichtweise auch ins Unternehmen ein. Wenn da jüngere Menschen reinkommen, die finden dann diese Birkenstock-Architektur, sag ich mal, die wir damals gebaut haben, die fanden wir dann irgendwie nicht mehr so sexy und haben gesagt: Also das Material ist ja toll, aber sieht irgendwie, ja, irgendwie schon ein bisschen altbacken aus und wir sollten da ein bisschen frisches Design reinbringen. Und ich glaube, jede Generation baut natürlich dann auch die Welt ein bisschen so, wie sie sie gerne hätte. Und wir fanden diese Öko-Themen natürlich exakt genauso wichtig und spannend, haben das aber einfach in neue Formen gepackt. Und ich glaube, deswegen fiel dieser Wandel dann auch in der Firma relativ leicht: weil ich natürlich auch in meiner Generation sehr viele Mitarbeiter und Kollegen hatte, die das ähnlich sahen wie ich, ja, die mit meiner Generation natürlich auch ein Stück weit den Wandel betreiben.
HT Gab es denn auch Leute, die gegen den Wandel waren, also Menschen, die Sie nicht mitnehmen konnten?
DFK Ich glaube … also, der Herr Professor Frey hat das vorher, glaube ich, ganz gut gesagt: Es gibt immer diejenigen, die da gerne bewegen wollen. Also ich bezeichne das immer als die Beweger und die Bewahrer. Und wenn die Masse der Beweger mal größer ist als die der Bewahrer, dann gehen die anderen auch ein Stück weit leichter mit. Natürlich tut man sich auch leichter, wenn man einen Erfolg dann auch nachweisen kann. Also wir haben dann diese modernen Häuser dann auch mal vermarktet. Die fanden dann natürlich auch – Gott sei Dank! – ein bisschen Feedback und guten Anklang. Und wenn natürlich so ein bisschen Rückenwind aus dem Erfolg noch mitkommt, dann kriegt man natürlich auch wirklich die Leute und auch die Zweifler ein Stück weit besser bewegt, das ist ja ganz klar. Hätten wir da einen Misserfolg gehabt, wäre es sicher schwieriger geworden, die mitzunehmen.
HT Herr Professor Frey, bei Frau Fritz-Kramer klingen diese Veränderungen eigentlich sehr einfach. Hat sie jetzt großes Glück, oder sind Veränderungen gar nicht so schwer, wie es manchmal heißt?
DF Hm, vermutlich ein bisschen Glück, aber mehr, glaube ich, ihre Persönlichkeit und das Produkt. Ich habe das Gefühl, dass sie die Leute begeistern konnte. Oder die Firma konnte die Leute begeistern, dass sie Herzblut am Produkt hatten und dass sie auch Herzblut entwickelt haben: Wir wollen Dinge verbessern. Und ich hatte das Gefühl von dem, was Frau Kramer beschrieben hat, dass die Leute morgens auch alle stolz zur Firma kamen und sagten: Ja, wir bieten eigentlich Lebensqualität und wir setzen das auch im Privatleben um. Und wenn man dieses Glück hat, dass die Leute die Werte teilen, dann gibt es ja auch das Sprichwort: Der Erfolg nährt den Erfolg. Dass es dann natürlich leichter fällt, eine Team-Kultur zu haben, wo man sich ständig entwickeln will, wo man stolz ist, dass man zu den Vorreitern, zu den Trendsetter gehört – und das ist natürlich die, ja, die Kunst auch von Führung, sodass sich viele Dinge dann verselbstständigen. Und ich habe auch hier rausgehört, Sie ermächtigen ja die Leute. Die Leute haben bei Ihnen ganz viel Freiräume: zu spielen, zu experimentieren, das auch im Privatleben umzusetzen. Und das ist natürlich eine … ich würde nicht sagen, dass es eine Glückssache ist, aber das ist das Ziel eigentlich von Führung: Menschen mitzunehmen, Menschen zu begeistern, Menschen als Mitunternehmer im Unternehmen zu sehen, ja, sodass sie stolz sind und auch jedermann stolz erzählen können, wo ich arbeite und was wir alles machen.
HT Jetzt laufen bei vielen Firmen Veränderungen aber nicht immer so glatt. Woran liegt das?
DF Auf den Punkt gebracht, liegt das daran, dass die Leute Veränderungen leid sind, weil es oft die fünfte Veränderung ist: vorwärts, rückwärts, sie den Sinn nicht mehr kapieren, oft auch ein Wechsel an Führungspersonen da ist und die dann sich eine neue Duftnote setzen wollen. Und die Kunst jeweils ist, den Menschen zu begründen, warum und wozu man jetzt sich verändern muss, in welche Richtung es geht. Es hat vieles mit Kommunikation zu tun, den Menschen auch zu begleiten, die Menschen mitgestalten zu lassen und auch die Skepsis und Ängste anzusprechen. In den Unternehmen, in denen ich tätig war, habe ich immer wieder festgestellt: Man hat die Ängste und Sorgen, die die Menschen haben, gar nicht berücksichtigt, sondern hat nur immer von den Chancen und Nutzen gesprochen. Und für mich ist vieles eine Sache von Vision, von Sinn, von Kommunikation. Und ich brauche diese Beweger, wie Frau Kramer gesagt hat, die Leute, die vorausgehen und die anderen mitziehen, ja? Wenn dieses gegeben ist und wenn man auch laufend diskutiert, was läuft gut, was läuft nicht gut, was könnte man besser machen in dem Veränderungsprozess, dann besteht zumindest eine Chance, dass man einen hohen Prozentsatz erreicht.
HT Nachgefragt, Herr Professor Frey: Sie haben ja jetzt einige Erfolgsfaktoren für Veränderungen angesprochen, aber Veränderung verläuft ja nicht immer wunschgemäß. Es gibt Rückschläge, es verläuft selten linear. Wie geht man denn da mit Enttäuschungen um?
DF Ich sage immer: Führung ist ein Management von Enttäuschungen, genauso wie Erziehung oft ein Management von Enttäuschungen ist. Ich muss es immer erklären und begründen. Man muss kritisch sein, auch gegenüber den Fehlentwicklungen, gegenüber dem Scheitern, das muss man mit den Leuten diskutieren. Und ich brauche damit immer auch eine offene Kommunikation. Ich brauche eine Problemlösekultur – jeder ist Problemlöser –; und ich brauche vor allem auch eine Fehlerkultur: dass man sehr offen und kritisch nicht nur sieht, was lief gut, sondern wo haben wir falsch entschieden, wo haben wir eine Fehlentscheidung getroffen. Und das, glaube ich … man kann dann Menschen wieder mitnehmen, wenn man sie einbezieht in die jeweilige Analyse.
DF Sie haben sehr eifrig genickt, Frau Fritz-Kramer. Können Sie das also aus Ihrer Praxis bestätigen?
DFK Ja, das kann ich nur bestätigen. Also es läuft natürlich nicht immer alles rund. Und ehrlich gesagt, ist es schon ein Schritt, wenn man einfach viel Energie in ein Projekt reingesteckt hat und dann wirklich erkennt: Oje, das war so ’ne Sackgasse! Und ich hatte schon auch das Gefühl, wir gehen da bei Baufritz manchmal doch noch ein bisschen zu lang in die Sackgasse, also, und versuchen das irgendwie nur krampfhaft dann wiederzubeleben, also. Und das tut dann wahnsinnig weh, wenn da unglaublich viel Energie reingegangen ist und man da viel auch Geld investiert hat oder Manpower und dann wirklich so ein Projekt sagen muss: Aber es war einfach wirklich … es war eine Sackgasse. Und das ist wirklich dann schon für alle Beteiligten so richtig heftig. Aber es hilft ja nichts. Also es hilft ja nichts, dann gegen die Wand zu rennen. (lacht)
DF Ich glaube, umso wichtiger ist, den Menschen im Vorfeld auch zu sagen: Es kann sehr wohl sein, dass dieses Projekt schieflaufen wird, so wie im Leben ja auch oft einiges schiefläuft. Und je mehr man diese Menschen impft – in Anführungszeichen –, also diese möglichen Neben- und Fehlwirkungen vorher schon sagt, dann können sie sie auch eher ertragen, ja? Und deshalb bin ich immer ein Gegner, dass man bei Veränderungen immer nur sagt: Das hat nur Vorteile und nur Chance und es wird alles gut werden. Dass man sagt: Nein, das wird ein schwieriger Prozess werden. Und je mehr Menschen da im Vorfeld zweiseitig informiert sind, auch über mögliche Risiken, umso mehr sind sie auch bereit, dieses zu ertragen. Führen ist immer auch ein Management von Enttäuschungen. Oder man kann es sogar noch weiter sagen: Leben ist ein Management von Enttäuschungen. Und Teamspirit ist auch ein Management von Enttäuschungen, ja? Immer ein Umgang mit nichtidealen Bedingungen.
HT Nun ist Zukunft:digital ein Podcast, der sich nicht nur mit Digitalisierung, sondern auch mit Innovationsthemen befasst. Und um wettbewerbsfähig zu bleiben, spielt in vielen Unternehmen Innovation ja eine wichtige Rolle. Herr Professor Frey, welche Rahmenbedingungen müssen denn aus Ihrer Sicht gegeben sein, damit Unternehmen innovativ sein können?
DF Auf den Punkt gebracht, nenne ich drei Rahmenbedingungen. Einerseits: Ich muss den Spirit haben, wir wollen exzellent sein, top sein, innovativ sein. Und wir wissen, das erreichen wir nur mit den Menschen. Deshalb spielt also Menschenwürde eine zentrale Rolle und Führung. Und um ein sogenanntes Center of Excellence zu werden, brauche ich eine Problemlösekultur – das heißt, Probleme verbinden wir mit Lösungen –, eine Fehlerkultur – aus jedem Fehler lernen wir –, ich brauche eine Streit- und Konfliktkultur, denn Veränderungen sind immer auch mit Spannungen verbunden, wo ich fair und sachlich den Konflikt und die Widersprüche ertragen muss, und ich brauche eine Dialogkultur, wo wir laufend im Gespräch bleiben, wo ich zuhören muss, Fragen stellen muss, Fragen zulassen muss. Das ist das eine, das nenne ich mal Center-of-Excellence-Kulturen. Und zum Zweiten brauche ich aber Rahmenbedingungen für intrinsische Motivation, dass Menschen da mitziehen, stolz sind auf das, was man macht. Und das bekomme ich am ehesten durch Vermittlung von Sinn. Wer Leistung fordert, muss Sinn bieten: durch Wertschätzung, durch Transparenz, durch Mitgestaltungsmöglichkeiten, durch Fairness und durch ein gutes Betriebsklima.
HT Frau Fritz-Kramer, Baufritz hält über 40 angemeldete in- und ausländische Patente im Bereich des ökologischen Bauens. Wie funktioniert Innovation bei Baufritz?
DFK Hm, also ich würde mal sagen, mit einer gesunden Portion Neugier. Also ich glaube, ganz wichtig ist einfach der Faktor Zufall bzw. einfach das Öffnen für neue Ideen. Und da schauen wir uns halt einfach auch wirklich sehr viel an, auch in anderen Branchen parallel, aber tauschen wir uns wirklich in der Branche intensiv aus, auch mit Zulieferern. Also da landen ja ganz viele, sage ich mal, Ideen, Ansätze an unterschiedlichen Stellen. Und dann ist es natürlich schon ganz wichtig, dass in der Firma auch so eine gesunde Neugier überall herrscht, dass man einfach auch diese Vorwärtsbewegung irgendwie auch drin hat im Unternehmen, damit die Leute auch erkennen: Ui, das könnte ’ne Chance sein, das könnte ’ne Idee sein – ob jetzt in der Haustechnik oder in der Konstruktion oder am Markt, ja? –, um das einfach auch dann ins Unternehmen zu bringen und zu sagen: Das könnte eine Idee sein. Da haben wir auch so ein bisschen Struktur gebaut mit einer Ideenschmiede, wo jeder so Ideen einbringen kann, aber wo wir natürlich auch schauen, dass die Leute auch immer mal wieder einen Blick von außen aufs Unternehmen kriegen, also einfach auch im Austausch mit anderen Unternehmen, Betriebsreisen, einfach Sachen anschauen. Und wenn wir dann so eine Idee identifiziert haben, dann versuchen wir natürlich, da ein Projekt draus zu machen und da erst mal zu schauen: Wo sind die Potenziale bzw. probieren es dann einfach auch mal aus. Also mein Papa hat immer gesagt: Ihr müsst zehn Ideen ausprobieren und eine wird Marktreife erlangen, ja? Also man muss aber trotzdem alle zehn probiert haben. Und ich glaube, das sind so die Themen. Es wird nicht alles ein durchschlagender Erfolg, aber es bleibt trotzdem Bewegung im Unternehmen. Und ich glaube, da muss man einfach vieles einfach anpacken, mutig anpacken und ausprobieren. Natürlich auch möglichst nicht zu schnell sein in den Entwicklungen und auch, ehrlich gesagt, das Tempo auch nicht zu langsam haben, dass einen der Markt überholt und die Idee dann praktisch gar nicht mehr fruchtet, ja?
DF Was Frau Kramer über Neugierde gesagt hat und Austausch dieser neuen Ideen mit Kunden außerhalb oder auch sich mit den … mit anderen Firmen austauschen, das ist so wichtig. Und ich erlebe in vielen Firmen, in denen ich tätig bin, dass die Leute zwar 10 bis 15 Verbesserungsideen haben, aber das wird nicht abgefragt. Und es ist, glaube ich, ganz wichtig, was Sie als unter innovativer Unternehmung machen: die Ideen, die die Leute im Kopf haben, zu artikulieren, dass sie die Chance haben, dieses aufzuschreiben, dass sie experimentieren dürfen, dass sie schauen, was machen andere Unternehmen, dass sie die Kunden einbeziehen, Wissenschaft einbeziehen. Das ist doch ganz wichtig. Und auch, was Ihr Vater gesagt hat: Wir müssen Ideen auch sterben lassen. Aber bei zehn Ideen wird sich, wenn sich zwei, drei da entwickeln – prima! Also das ist für mich vorbildlich, und ich sehe dieses Vorbildverhalten in den meisten Unternehmen weniger, wollen wir es mal so sagen. Aber eben die Hidden Champions, die machen das.
HT Ob es um Innovation geht oder das Heben von Effizienzen: Digitale Technologien werden immer wichtiger. In vielen Unternehmen treffen aber Mitarbeitende aus verschiedenen Generationen mit unterschiedlicher digitaler Affinität zusammen – also sozusagen Generation X trifft Digital Native. Wie ist es da möglich, alle Mitarbeitenden mit ihren unterschiedlichen Wissens- und Kenntnisständen mitzunehmen?
DFK Das ist eine Herausforderung, würde ich sagen. Also da ist die Spreizung wirklich sehr, sehr breit. Da gibt es die Jungen, die würden alles digitalisieren, nur noch mit Apps arbeiten und alles viral vermarkten (lacht) und nur noch sich auf Social-Media-Themen beschränken. Und dann haben wir natürlich die Generation wie mich und eine, die noch nach mir folgt. Also die dann halt sich mit den Themen … die gerne noch mit den Menschen sprechen, die gerne noch von Hand zeichnen, die gerne noch, ja, einfach ein Memo oft gedruckt haben. (lacht) Also das ist einfach so, und da haben wir schon definitiv eine Aufgabe. Also da muss man die einen ein bisschen einbremsen und für Verständnis werben und die anderen schon vorsichtig mitziehen bzw. auch ein bisschen anschieben. Also die Entwicklung ist so schnell vorangegangen und da spreizt sich wirklich das Know-how in den Generationen so breit, dass man da irgendwie eine gute Mitte finden muss. Aber es ist echt … das ist schon eine Herausforderung.
HT Wie gehen Sie denn beide persönlich mit Technologie und Wandel um?
DF Ich differenziere zwischen Technologie und Wandel. Mit Technologie gehe ich überhaupt nicht gut um, weil ich auch einer derjenigen bin, die kein Digital Native sind. Und ich will Ihnen ehrlich sagen: Wenn ich keine Kinder hätte, könnte ich an dieser Podcast-Sendung gar nicht teilnehmen, weil ich vieles nicht weiß. Oder meine Mitarbeiter in meinem Center for Leadership helfen mir auch. Aber: Ich habe durch die Pandemie … bin vom Mittelalter in die Neuzeit gegangen und ich kann schon vieles, aber vieles auch nicht. Aber bei Wandel bin ich sehr aufgeschlossen, da ich zum Beispiel auch mit meinem Center zu den Besten der Welt gehören will, alle unsere wissenschaftlichen Produkte hochrangig veröffentlichen will. Und ich bin immer für Wandel, wo ich eine Horizonterweiterung für mich und meine Mitarbeiter sehe, und sehe diesen Wandel, der jetzt auch notwendig ist – Stichwort mehr Nachhaltigkeit, Verzicht auch, dass man viele Dinge nicht mehr machen kann –, da will ich schon Vorreiter sein und finde diesen Wandel sogar auch positiv. Ich finde die Nachhaltigkeit positiv. Ich finde den Wandel im Essverhalten positiv. Ich werde weniger Auto fahren. Das möchte ich – das sehe ich wirklich positiv –, weil es notwendig und sinnvoll ist.
DFK Also ich tu mich auch noch ein bisschen schwer mit dem digitalen Wandel. Ich sehe natürlich wirklich die Möglichkeiten, aber ich verfalle immer wieder so ein bisschen in den … in das Muster: Ich übersetze einen analogen Prozess in einen digitalen. Und ich glaube, das ist schon ein bisschen zu kurz gesprungen, wenn ich da manchmal höre, wie Aufgaben dann auch von jungen Leuten dann völlig anders angegangen werden, mit völlig anderen Mitteln. Da ist meine Kreativität auch ein Stück weit begrenzt durch das, was ich kann, ja, also wie ich denke. Und das merke ich schon. Ich gehe gern damit um, aber ich greife auch am allerliebsten trotzdem gern zum Stift. Ich schreib gern von Hand und ich zeichne gern von Hand. Und ich glaube, das werde ich, ehrlich gesagt, auch nicht mehr ablegen können. Aber natürlich: Die Rahmenbedingungen, die wir jetzt haben und die wir jetzt ja auch durch diese Zeit ganz schnell gelernt haben, auch schätzen zu lernen, ich glaube, das wird auch nicht mehr verschwinden und das wird sich auch weiterentwickeln und es wird sich auch vereinfachen. Also wenn ich noch denke, eine Videokonferenz vor sieben Jahren war auch noch deutlich komplizierter, als wir das heute haben. Das ist ja alles wie telefonieren mittlerweile, also das kann jeder. Und ich glaube, das wird auch … die Technik wird sich auch so wandeln mit Sprachsteuerung und allem Drum und Dran, dass die Hürde dahin gar nicht mehr so groß ist, auch für die ältere Generation.
HT Ja, Sie sprachen gerade Rahmenbedingungen an, Frau Fritz-Kramer. Die sind ja im globalen Zusammenhang gerade sehr herausfordernd: von der digitalen Transformation über Klimaneutralität bis auch zu weltweiten Abhängigkeiten. Wie geht Baufritz damit um?
DFK Die Thematiken sind natürlich vielfältig. Also es geht natürlich einmal um die Lieferketten; da war ich sehr überrascht drüber, welche Lieferketten dann auch gestört waren. Also obwohl wir gemeint haben, wir haben wirklich alles bei uns rund um den Betrieb rum wie Holz usw., waren wir doch sehr überrascht, wie weit die Lieferketten gehen. Da geht es natürlich jetzt wirklich darum, die Lieferketten mal ganz offenzulegen, auch vom Wasserhahn und von der Schraube und das auch mal zu hinterleuchten: Geht das nicht einfacher, schneller, kürzer? Dann, glaube ich, dass auch das Thema der Energieversorgung natürlich ein enormes sein wird. Also wie wollen wir uns denn regenerativ zukünftig versorgen? Da bietet der Hausbau natürlich schon sehr viel Lösungen, sich auch bis zur Autarkie im Haus zu versorgen. Aber das ist halt alles noch fast unbezahlbar teuer. Und dann haben wir natürlich auch die ganze Produktion und also was wir auch an Ressourcen mit der Produktion nutzen, also nicht nur vom Rohstoff, sondern auch Produktionsenergie, was wir an Müll produzieren. Also diese Themen beschäftigen uns ja schon länger, aber jetzt natürlich noch mal deutlich schneller und verstärkter. Also wir wollen 2025 Zero-Waste-Betrieb sein, sind seit 2018 CO2-neutral. Also das heißt, wir sind schon auf dem Weg, aber da gibt’s natürlich noch viele Baustellen und die gilt es natürlich jetzt noch in schnellerem Tempo anzugehen.
HT Das sind eine Menge Baustellen – von Lieferketten über Energiesicherheit bis hin zu der von Ihnen erwähnten CO2-Neutralität. Herr Professor Frey, angesichts dieser Stichworte fühlen sich Mitarbeitende möglicherweise verunsichert. Was können Führungskräfte tun, um ihren Mitarbeitenden Sicherheit zu geben? Und dann natürlich auch an Sie, Frau Fritz-Kramer: Wie machen Sie das bei Baufritz?
DF Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Aufgabe von Führung, individuelle Resilienz, organisationale Resilienz, gesellschaftliche Resilienz vorzuleben und voranzutreiben. Was verstehe ich darunter? Man kann heute den Mitarbeitern nicht Sicherheit versprechen im Sinne von: Ich garantiere dir eine lebenslange Anstellung hier. Aber ich kann den Mitarbeitern versprechen: Wir geben Räume zum Dialog, ich helfe dir, du hilfst uns und wir entwickeln uns alle zum Problemlöser. Die ganze Entwicklung der Menschheit war immer eine Entwicklung, wo Probleme gelöst werden mussten, wo man sich anpassen musste an neue Entwicklungen. Und das ist im Moment ein Beispiel par excellence, wo man sich an total unvorhersehbare Ereignisse anpassen muss, und zwar jeder Einzelne. Und jetzt ist es, glaube ich, als Führungskraft wichtig, dieses anzusprechen und zu sagen: Wir helfen uns gegenseitig. Wir rufen nicht immer nach dem Staat. Wir wollen auch nicht nur rumjammern, sondern wir geben uns Hilfe zur Selbsthilfe. Wir lernen daraus. Wir geben den Optimismus nicht auf. Wir geben unseren Humor nicht auf. Wir geben unsere Lebensfreude nicht auf. Und hier zeigt sich: Ist Führung in der Lage, hier Vorbild zu sein und hier vorauszugehen und die Menschen mitzunehmen?
HT Sind Sie als Führungskraft dazu in der Lage, Frau Fritz-Kramer?
DFK Also das gelingt mir nicht immer lückenlos, würde ich sagen. Aber ich versuche natürlich wirklich, die Ruhe zu bewahren. Also es hilft nichts, jetzt wie ein Huhn da durch das Unternehmen zu rennen und alles verrückt zu machen, sondern ich glaube, ehrlich gesagt, wirklich jetzt Ruhe bewahren, die wichtigsten Themen rausdestillieren, in aller Ruhe die Projekte angehen, die Leute beteiligen, ganz richtig von Professor Frey bemerkt. Also einfach auch den Raum zu schaffen. Natürlich dürfen die Sorgen da sein, die dürfen auch artikuliert werden, aber es darf auch nicht in ein kollektives Krisenbeweinen übergehen, sondern wir müssen schon noch irgendwie eine Vorwärtsdynamik auch noch aufrechterhalten. Und ich glaube, ehrlich gesagt, da geht es wirklich nur: Ruhe bewahren, nur die Dinge anpacken, die man wirklich auch beeinflussen kann, alles andere aus dem Betrieb rauslassen – und gut!
HT Frau Fritz-Kramer, Herr Professor Frey, vielen herzlichen Dank! Bevor wir uns verabschieden, möchte ich Sie aber beide bitten, noch den folgenden Satz zu vervollständigen, ganz spontan: Wandel kann nur gelingen, wenn …
DFK … man aktiv den Wandel gestalten kann und die Menschen den Sinn verstehen, warum Wandel notwendig wird.
DFK Herr Professor Frey, Wandel kann nur gelingen, wenn ...
DF … ich als Vorbild vorausgehe, statt zu sagen: So schön wäre es, wenn andere sich ändern würden.
HT Also ganz herzlichen Dank an Sie beide. Ich hoffe, es hat Ihnen Spaß gemacht, Frau Fritz-Kramer und Herr Professor Frey. Wie gelingt es Unternehmen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in Veränderungsprozesse einzubinden? Was ist besonders wichtig? Darüber haben wir heute mit dem Sozialpsychologen Dieter Frey und Dagmar Fritz-Kramer, der CEO von Baufritz, geredet. Herzlichen Dank Ihnen für das Gespräch!
DFK Ja, war mir ein Vergnügen.
DF War mir auch ein Vergnügen, Theorie und Praxis angesprochen zu haben.
HT Das ist Sinn und Zweck dieses Podcasts. Ganz herzlichen Dank! Tschüss!
Wie können sich Unternehmen erfolgreich neu ausrichten? Welche Rolle spielen Innovationskraft und digitale Technologien? Ich spreche in der kommenden Folge mit Dr. Ludwin Monz, Vorstandsvorsitzender des Druckmaschinenherstellers Heidelberg, und der Innovationsexpertin Frau Prof. Dr. Katharina Hölzle, Leiterin des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement der Universität Stuttgart. Ich freue mich auf die kommende Folge – bis dahin!
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