Open Innovation – eine Frage des Mindsets?

Shownotes

Müssen sich Innovationsprozesse angesichts komplexer Umfelder und rasanter technologischer Entwicklungen nach außen öffnen? Welche Hindernisse stehen einer aufgeschlosseneren Zusammenarbeit entgegen? Kann der Austausch von Wissen über Firmen-, Branchen- oder sogar Ländergrenzen hinweg den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen sicherstellen?

Darüber sprechen Ariane Scheer-Danielsson, Head of Business Innovation bei der Basler AG, einem führenden Hersteller im Bereich Computer Vision, und Mario Hehle, Head of Corporate Technology und New Business bei dem Maschinenbauer TRUMPF. Die beiden Gäste geben Einblicke in die Innovationsprozesse in ihren Unternehmen und erläutern die Bedeutung von Netzwerken und aktivem Austausch.

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MH Meiner Meinung nach ist es ganz zentral, Freiräume zu schaffen. Der Alltag tötet jede Bereitschaft, sich mit Neuem zu beschäftigen. Wenn Sie mit 120 Prozent Überlast an Themen arbeiten, dann haben Sie einfach nicht die Möglichkeit, out of the box zu denken.

AS Eine der größten Hürden für Innovation aus meiner Sicht und nach meiner Erfahrung ist die Isolation, weil es sich mit anderen zusammen viel besser innovieren lässt. Man kann tolle Impulse miteinander teilen und sich gegenseitig geben.

Zukunft:digital, der Podcast der KfW zu Digitalisierung und Innovation

HT Deutschland gilt als Land der Ideen, als Land, das gerade in technischen Bereichen Heimat vieler bekannter, aber auch heimlicher Weltmarktführer ist. Das innovative Potenzial ist eines der Themen, das viele dieser erfolgreichen Unternehmen eint. Und daher freue ich mich heute ganz besonders, mit zwei Innovationsexpert*innen aus der Praxis über Innovation im Allgemeinen, vor allem aber auch über Open Innovation sprechen zu können. Beide arbeiten in einer ähnlichen Branche. Jedoch sind die Arbeitgeber mit Blick auf Größe und Produktportfolio sehr heterogen. Was das für Innovation heißt? Ich bin gespannt! Herzlich willkommen, sagt Holger Thurm!

HT Ariane Scheer-Danielsson ist Head of Business Innovation bei der Basler AG, einem führenden Hersteller im Bereich Computer Vision, also industrieller Bildverarbeitung, mit etwa 850 Mitarbeitenden. Hallo, Frau Scheer-Danielsson!

AS Hallo, vielen Dank, dass ich dabei sein darf!

HT Mario Hehle ist Head of Corporate Technology und New Business bei dem Maschinenbauer Trumpf, der mit mehr als 14.000 Mitarbeitenden zu den weltweit größten Anbietern von Werkzeugmaschinen gehört. Schön, dass Sie auch heute unser Gast sind. Hallo, Herr Hehle!

MH Hallo, und ich freue mich auch sehr, hier zu sein!

HT Frau Scheer-Danielsson, die Basler AG gehört zu den Weltmarktführern bei Industriekameras. Trotzdem dürfte das Unternehmen jetzt nicht allen unseren Zuhörenden bekannt sein. Können Sie uns daher kurz sagen, wofür Basler steht?

AS Sehr gerne. Sie hatten es ja vorhin schon angeschnitten: Was wir machen, wofür wir Experten sind, ist Computer Vision beziehungsweise Machine Vision. Das sind industrielle Bildverarbeitungssysteme für den B2B-Bereich. Und da sind wir sehr breit unterwegs. Unsere Produkte, also sowohl Hardware- als auch Softwareprodukte, findet man in der Fabrikautomation, im Retailbereich, Verkehr, aber auch Medical und Life Sciences; und unsere Produkte werden eingesetzt zum Beispiel für die Mikroskopie, in der Robotik, zur Gesichtserkennung, Verkehrskontrolle und Überwachung, Nahrungsmittelkontrollen, aber auch für die Elektronik und Halbleiterinspektion.

HT Herr Hehle, der Name Trumpf steht jetzt schon seit Jahrzehnten für Werkzeugmaschinen. Können Sie uns trotzdem kurz erläutern, was Trumpf ausmacht?

MH Ja, das mache ich natürlich sehr gerne. Ich muss vielleicht noch eines dazusagen: Trumpf kommt natürlich aus dem Werkzeugmaschinenbereich traditionell, mittlerweile schon fast hundert Jahre lang, hat sich aber in den letzten Jahrzehnten zu einem weltweit führenden Unternehmen der Lasertechnik auch entwickelt. Das sind zwei Themen, die sehr gut zusammenpassen, weil man den Laser natürlich sehr gut in einer Werkzeugmaschine auch einsetzen kann, was wir auch tun. Ist aber auch prinzipiell in unterschiedliche Märkte ausgerichtet. Was tun wir? Also auf der Werkzeugmaschinenseite relativ einfach: Wir bearbeiten Blech, machen alles, was man so mit Blech tun kann. Auf der Laserseite: Laser ist ein wahnsinnig starkes Tool oder ein Enabling Element, um sehr, sehr viele Dinge zu tun. Laser finden Sie mittlerweile in fast jeder Anwendung – ist ein bisschen übertrieben vielleicht, aber Sie finden es im Auto genauso gut wie in der Industrie, wie in der Medizin. Und da haben wir ein ganz, ganz großes Spektrum an Anwendungen. Übrigens ist Laser auch ein Teil von Photonik, und Photonik ist natürlich im weitesten Sinne unser Gebiet. Und deswegen kümmern wir uns zum Beispiel auch um so, ich sage mal, sehr spannende Zukunftsthemen wie Quantencomputing, photonische Quantencomputer und Ähnliches.

HT Und sicherlich auch ein weites Feld für Innovationen der Zukunft. Bevor wir in die Welt von Open Innovation einsteigen, möchte ich mit Ihnen aber kurz noch über die Grundlagen von Innovationen in Unternehmen sprechen. Und da es uns heute auch um Gemeinsamkeiten und Unterschiede geht, starten wir vielleicht mit einer Frage zum jeweilig anderen Unternehmen. Und da würde ich mit Ihnen beginnen, Herr Hehle. Wie würden Sie folgenden Satz vervollständigen: Kleine Unternehmen sind besonders innovationsstark, weil …

MH Weil sie typischerweise kleine, flache Hierarchien haben, schnelle Entscheidungen treffen können. Und – und das ist ja interessant, auch im Zusammenhang mit Start-ups – die Scarcity of Resources, wie es so schön heißt, nämlich der klare Fokus es eben auch ermöglicht, Dinge schnell und sehr gezielt nach vorne zu bringen.

HT Und Frau Scheer-Danielsson, jetzt sind Sie natürlich auch an der Reihe. Große Unternehmen sind besonders innovativ, weil …

AS Weil große Unternehmen häufig große Netzwerke haben, global verschiedene Standorte und sich eben dies zunutze machen können, vor Diversity-Standpunkten zum Beispiel. Aber auch das Thema Investitionen ist natürlich für Innovation wichtig.

HT Ja, vielen Dank. Jetzt hat Herr Hehle ja gesagt, kleine Unternehmen zeichnen sich aus durch flache Hierarchien, schnelle Entscheidungen beim Thema Innovation. Prüfen wir das mal bei der Basler AG. Frau Scheer-Danielsson, wie ist denn Innovation bei der Basler AG organisiert?

AS Ja, da gebe ich Ihnen sehr gerne mal einen Einblick, und Herr Hehle hat recht. Wir sind mit flachen Hierarchien gesegnet und sind sehr agil unterwegs. Also wir haben eine Business Unit Innovation bei uns, die aufgeteilt ist, unter anderem in R&D-Innovation, also Research and Development. Das ist mit einem klaren technischen Fokus. Ich bin aber im Business-Innovation-Bereich, den gibt es daneben auch. Und unsere Aufgabe ist, Technologien mit Kunden beziehungsweise mit Märkten zu verbinden und dort Brücken zu bauen. Organisiert sind wir so, dass wir unter anderem einen internen Innovationsprozess haben, der in drei Phasen organisiert ist. Und im Rahmen dieses Innovationsprozesses fokussieren wir uns vor allem auf inkrementelle Produktinnovationen und auch neuartige Geschäftsmodelle. Also es gibt die erste Phase, das ist die grüne Phase. Da geht es wirklich ums Thema Ideation, also Ideenfindung. Und da werden Mitarbeitende bei verschiedenen Events zu Zukunftstrends und Zukunftstechnologien inspiriert von unserem Bereich R&D-Innovation vor allem; haben auch eigene verrückte Ideen, die sie dann im Rahmen dieser grünen Phase weiterentwickeln können. Nach dieser ersten grünen Phase kommt das erste Stage-Gate. Dort wird geprüft, ob die Idee grundsätzlich zu Basler passt. Wenn das der Fall ist, dann findet der Eintritt in die nächste Phase, in die rote Phase, statt. Und da geht es um die Weiterentwicklung der Idee und auch die Validierung beim Kunden, um eben den Problem Solution Fit zu erreichen. Das heißt, die Lösung, die dort bearbeitet wird, ob es ein Produkt oder neuartiges Geschäftsmodell ist, soll unbedingt zum Kundenproblem passen. Hier werden unsere Innovatoren, unsere internen Innovatoren dabei unterstützt, diese Idee weiterzuentwickeln. Und sie werden auch finanziert, bekommen 20 Prozent ihrer Arbeitszeit quasi geschenkt für das Projekt und auch ein nettes Startgeld. Das ist alles im Rahmen des Kickbox-Verfahrens – das Adobe-Kickbox Verfahren, das wir auf unser Business angepasst haben. Dann kommt das nächste Stage-Gate – das ist immer total aufregend –, das ist unser Pitch-Day. Da sind interne Sponsoren aus den höchsten Managementebenen, vor denen unsere Innovatoren ihre Idee pitchen. Und dort werden dann auch die besten Ideen ausgesucht und die Sponsoren sichern die Anschlussfinanzierung. Und in der blauen Phase geht es dann darum, dass die Idee weiterentwickelt wird vom MVP, also vom Minimum Viable Product, hin zum MMP, das ist das Minimum Marketable Product. Und dieses Produkt wird dann zum Beispiel auch ersten Lead-Kunden verkauft. Diese blaue Phase endet dann mit einem nächsten Stage-Gate, das sogenannte Einser-Gate, so nennen wir das, bei dem werden dann die besten Produkte und Geschäftsmodelle wieder ausgewählt und diese werden dann im nächsten Schritt skaliert und in die Standard-Organisation integriert. Kann ich wärmstens weiterempfehlen, weil die Hauptvorteile dieses Prozesses sind, dass er sehr schnell ist, supereffektiv, vergleichsweise kostengünstig, muss man sagen, weil sehr viel getrieben wird von unseren Innovatoren; dass wir damit nicht nur tolle Innovationen entwickeln, sondern der viel wichtigere Aspekt: dass unsere Mitarbeiter zu Intrapreneuren ausgebildet werden, Unternehmern im Unternehmen – das ist eine ganz tolle Sache, auch für die jeweiligen Karrieren der Mitarbeiter. Dann haben wir daneben noch weitere Innovationsprogramme, verschiedene Events, Initiativen. Und da fokussieren wir uns sowohl auf Top-down-Innovatoren als auch auf Bottom-up-Innovatoren und haben immer im Fokus, unsere Innovatoren intern zu vernetzen, Wissenstransfer und Austausch zu fördern, auch nach extern, um damit, ja, diesen hohen Innovationsgrad, den wir auch brauchen als Tech-Unternehmen, zu erreichen und eben nachhaltig zu sichern.

HT Herr Hehle, jetzt haben wir gehört, wie das bei der Basler AG organisiert ist. Sieht denn das bei einem großen Konzern wie Trumpf ganz anders aus? Oder sind die Unterschiede da eher marginal?

MH Naja, natürlich haben wir gewisse Unterschiedlichkeiten. Aber ich glaube, der größte Unterschied ist … also bei uns läuft auch R&D, also klassische Entwicklung neuer Produkte und Lösungen im Kerngeschäft, in den Geschäftsbereichen. Da ist die angesiedelt und da ist sie auch sehr gut angesiedelt, weil sie sehr kundennah auch passiert. Mein Bereich jetzt, die auf der Holding-, auf der Konzernebene angesiedelt ist, der Bereich Corporate Technology New Business, kümmert sich um das Enablement. Es kümmert sich also darum, dass R&D in den Bereichen effektiv und effizient umgesetzt werden kann. Zentrale Prozesse, Tools, aber eben auch zum Beispiel ein professionelles Management von Patenten und Schutzrechten. Wir kümmern uns verantwortlich um alle neuen Geschäftsmöglichkeiten, die wir als Trumpf für relevant für die Zukunft halten. Wir haben da drei unterschiedliche Wege, wie wir es tun können. Das eine ist klassisch: Wir kaufen uns in innovative Unternehmen ein, M&A. Wir entwickeln langfristig Technologieplattformen, die es uns ermöglichen, in Zukunft neue Geschäfte aufzubauen – da ist ein Stichwort zum Beispiel Quantentechnologie. Und das Dritte ist klassisch Corporate Venturing. Das heißt, wir investieren in Start-ups, wir arbeiten strategisch mit Start-ups zusammen. Aber wir bauen auch im Konzern eigene Start-ups, die sozusagen als Schnellboote uns ermöglichen, dann wieder deutlich flexibler zu arbeiten als in einem großen Konzernsetting und damit eben auch neue Geschäfte und Geschäftsmodelle zu ermöglichen.

HT Aha, das heißt also, Sie fördern mit Inkubationsprogrammen Start-ups? Sie gründen aber auch hausintern Firmen aus, habe ich das richtig verstanden?

MH Ja, das ist richtig.

HT Wenn man mit dem Verkauf von Start-ups als Maschinenbauer Geld verdient, dann klingt das zwar spannend für mich, aber das ist auch irgendwie irritierend. Wären das nicht Geschäftsmodelle, die Sie inhouse viel besser verwerten können, als wenn Sie sie verkaufen?

MH Also um vielleicht da so eine Unsicherheit von Anfang an zu klären: Wir produzieren oder entwickeln nicht Start-ups, um die zu verkaufen. Unser Ziel ist es, Innovationen, die wir im Rahmen unserer internen Prozesse nicht so schnell so gezielt vorantreiben können wie außerhalb unserer Konzerngrenzen, denen geben wir die Möglichkeit – auch durch eigenes Kapital finanziert –, schnell und agil wie ein Start-up ihre Themen voranzubringen. Das hat für uns mehrere Vorteile. Ein großer Vorteil ist extreme Motivation der Teams. Die haben … entwickeln eine unternehmerische Aufgabe, ein Geschäft aufzubauen, es zu entwickeln, mit relativ geringen Abstimmungsbedarfen. Das Zweite ist: Es sind meistens Themen, die doch ein bisschen weiter weg sind von unserer Komfortzone. Und man braucht Partner, mit denen man interagieren kann und die man besser einbinden kann in diese Prozesse. Man ist schneller, man ist dynamischer unterwegs, und – und das ist jetzt ein drittes Thema, was wir tatsächlich noch nicht so stark im Fokus haben, aber immer mehr tun – wir öffnen natürlich die Option, dass sich auch andere strategische Partner in der frühen Phase an solchen Themen beteiligen. Ich habe vorhin mal das Thema Quantencomputing angesprochen. Wir haben hier ein sehr spannendes Start-up, Q.ANT, was eine tolle Technologie hat und auch wirklich sehr stark vorankommt. Das ist im Moment komplett von uns finanziert. Aber wenn Sie sich anschauen, wie viel Kapital Sie brauchen, um solche Themen irgendwann mal in den Markt zu bringen, kann es natürlich auch Sinn machen, andere Beteiligte in das Thema mit reinzunehmen. Und das sind sozusagen die Optionen. Es ist für uns eine Möglichkeit, Innovationen gerade in mehr disruptiven Bereichen schneller zu machen, effizienter zu machen, externes Talent besser einzubinden – auch das ist ein wichtiges Thema – und gegebenenfalls auch über Kofinanzierung mit externen Partnern, sogenannte „Smart Money“, Kompetenz und Geld in diese Vehikel mit einzubringen. Am Ende des Tages schauen wir in unsere Organisation rein: Wo gibt es Ideen? Wo sehen wir Potenziale, auch in Richtung der Megatrends, der Technologietrends, die wir sehen, und versuchen dann, ein Team zusammenzustellen, dem wir zutrauen, dieses Thema erst mal zu validieren, erst mal zu gucken: Sind diese Hypothesen – das könnte ein tolles Thema sein – überhaupt marktfähig? Wir nehmen das dann in ein Programm, das heißt bei uns Internehmertum, mit auf. Es ist eine klar definierte Struktur, die wir auch betreuen von zentraler Seite, wo diese Teams Start-up-Methoden auch anwenden: Design Thinking, Lean Start-up-Methodik – es sagt sicherlich vielen etwas – und [wo man] dann an der Stelle eben erst mal guckt: Gibt es einen Product Solution Fit – also haben wir irgendwo so die richtigen Themen? –, erste Kundenkontakte herstellt, schaut: Gibt es einen Markt dafür? Und über diesen Prozess, step by step, schauen wir uns an: Könnte das wirklich ein Start-up werden? Ist das etwas, was wir wieder zurückholen in die Firma? Oder ist es etwas, was wir sozusagen als eigene Einheit weitertreiben? Und das funktioniert bisher recht gut. Wir haben aber natürlich auch viele Ideen, wie man das noch verbessern kann, wie man es weiterentwickeln kann. Und da arbeiten wir gerade dran.

HT Erst mal vielen Dank für diese Insights, Herr Hehle. Jetzt können wir vielleicht zu dem Thema kommen, für das Sie ja beide zu brennen scheinen, nämlich Open Innovation. Frau Scheer-Danielsson und auch Herr Hehle, was ist das für Sie, Open Innovation?

AS Open Innovation kann man ganz grundsätzlich beschreiben als Öffnen des eigenen Innovationsmanagements und eigenen Unternehmens für externe Einflüsse, also die Zusammenarbeit mit Externen, Wissensaustausch mit Externen. Ob es jetzt Kunden sind, Forschungseinrichtungen, Unis, Start-ups oder andere externe Experten. Mit denen tauscht man sich offen und regelmäßig aus. Und die Impulse, die man dadurch bekommt, können in den internen Innovationsprozess einfließen. Und andersrum findet natürlich auch ein Wissenstransfer von intern nach extern statt. Also für mich eine klassische Win-win-Situation. Eine der größten Hürden für Innovation aus meiner Sicht und nach meiner Erfahrung ist die Isolation, weil es sich mit anderen zusammen viel besser innovieren lässt. Man kann tolle Impulse miteinander teilen und sich gegenseitig geben.

HT Herr Hehle, warum ist Open Innovation heute der richtige oder sagen wir mal ein guter Weg? Was ist für Sie Open Innovation?

MH Ich meine, wenn ich es mal in einem Satz zusammenfassen würde: Für mich ist Innovation die Chance, gemeinsam Zukunft zu gestalten. Und das in dem Kontext, wie wir es gerade gehört haben: nämlich global vernetzt, über Branchen-, Firmen-, Ländergrenzen hinweg. Warum müssen wir das tun? Relativ einfach: Wir befinden uns gerade in einem, ich würde sagen, Paradigmenwechsel, was das Thema Innovation angeht, der seit einigen Jahren immer stärker ist. Der Paradigmenwechsel beruht einfach auf verschiedenen Trends, die sich mittlerweile immer weiter verstärken. Zum einen ist es die Komplexität der Produkte und Lösungen, die wir haben, die wird immer größer. Zum anderen sehen wir sehr viele konvergente Märkte. Das heißt, was früher mal getrennt war, wächst immer mehr zusammen. Automobil ist vielleicht ein gutes Beispiel. Ja, früher sehr stark, nennen wir es mal handwerklich getrieben, in Zukunft oder heute auch teilweise schon ein rollender Computer. Und das Dritte ist: Wir sehen extrem stark sich entwickelnde Potenziale in neuen Technologiefeldern, also wirklich ein exponentielles Wachstum in den Entwicklungsgeschwindigkeiten – Künstliche Intelligenz, Virtual Reality, Quantencomputing, all die Themen bringen uns neue Möglichkeiten. Und wenn man das sieht, dann ist es eigentlich relativ klar, dass keine Firma – und da behaupte ich mal, keine Firma, egal, wie groß oder klein –, die Herausforderung alleine stemmen wird, hier die richtigen Produkte, Lösungen oder auch Geschäftsmodelle für die Zukunft anzubieten. Und das ist für mich der große Treiber von Open Innovation. Closed Innovation konnte man sehr, sehr gut machen, als alles sehr schön getrennt voneinander war. Und das war, ich sage jetzt mal, ganz einfache Produkte in einem spezifischen Rahmen entwickelt haben. Heute sehe ich diesen Weg nicht mehr, um uns in die Zukunft zu führen.

AS Was ich noch dazu sagen wollte, was einem auch klar sein muss, ist, dass durch die immer kürzer werdenden Veränderungszyklen im Markt auch das Risiko größer wird, dass Märkte schnell disruptiert werden, insbesondere von globalen Wettbewerbern. Und das sehen wir ja immer und immer wieder. Das gab es auch schon in der Vergangenheit, aber das geht immer, immer schneller. Und genau deswegen finde ich es umso wichtiger, dass man Open Innovation nutzt, um eben die eigene Innovationskraft immer weiter zu steigern.

HT Also um das zusammenzufassen: Angesichts der rasanten technologischen Entwicklung und immer kürzerer Innovationszyklen lassen sich die Themen heute eben nicht mehr alleine lösen. Das bedingt natürlich aber auch, dass man intern vermutlich das bislang vorherrschende – ich nenne es jetzt mal – Silodenken auflöst, um diese Probleme gemeinsam zu lösen. Ich würde deswegen gern mal einen Blick bei Ihnen beiden in die Praxis werfen. Wie sieht denn Open Innovation in der Praxis bei Baseler aus, Frau Scheel-Danielsson?

AS Was wir bei Basler machen im Rahmen Open Innovation: Grundsätzlich ist es so, dass wir bei Basler sehr offen mit vielen innovativen Partnern auf Unternehmensseite mit Start-ups, Universitäten und so weiter sprechen. Wir vernetzen uns. Das ist ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit, unter anderem also mit allen möglichen externen Wissensträgern und auch Kunden, um eben zielgerichtet und gemeinsam zu innovieren. Da haben wir zum Beispiel ein supertolles Universitätsprogramm, dem wir Open Innovation auch auf unterschiedliche Weisen, Arten und Weisen facilitaten. Da machen wir Sponsorings von Universitäten und statten unter anderem die Formula One Students mit unseren Kameras aus, machen aber auch noch viel anderes im Bereich Sponsoring. Neben unseren Aktivitäten sind wir bei Basler auch sehr aktiv auf Veranstaltungen wie Messen, Konferenzen vertreten, immer mit einem Tech-Bezug natürlich, um da eben Netzwerke – also auf fachlicher Ebene – und auch Ökosysteme zu pflegen, weiter auszubauen. Und was wir auch viel machen, ist, dass wir aktiver Partner bei verschiedenen Tech-Initiativen sind, unter anderem bei AI.Hamburg. Das ist zum Beispiel eine Initiative, die sich für die Förderung von Wissen und den breiten Einsatz von Künstlicher Intelligenz mit starkem Fokus auf Machine Learning einsetzt. Und wir kooperieren auch mit anderen innovativen Corporates, mit Start-ups und natürlich auch mit Universitäten. Unser Partnerprogramm für die Kooperation mit Start-ups wird derzeit auch weiter ausgebaut, einfach weil wir da ganz viele Zukunftschancen für uns sehen.

HT Ja, Herr Hehle, mit Ihnen würde ich auch gern einen Ausflug in die Praxis machen. Wie steht es um Open Innovation bei Trumpf?

MH Ja, wie Basler auch haben wir auch eine Vielzahl von unterschiedlichen Programmen und Aktivitäten, die Open Innovation fördern und unterstützen. Ehrlich gesagt, wenn man die Gründerväter von Trumpf vor hundert Jahren gefragt hätte: „Macht ihr Open Innovation?“, dann hätten sie den Begriff nicht gekannt, weil er erst vor wenigen Jahrzehnten gebildet wurde. Aber auch die haben Open Innovation gemacht, weil: Ich glaube, ein zentrales Element, was Trumpf und viele Mittelständler auch machen, ist, dass sie sehr, sehr nahe an ihren Kunden dran sind. Das heißt, wir arbeiten sehr, sehr eng mit Kunden an neuen Lösungen oder eben auch an neuen Geschäftsmodellen, die unsere Kunden wieder an ihre Kunden weiterentwickeln und wo wir auch einen Beitrag leisten können. Also Co-Creation, wie das so schön heißt, das ist, glaube ich, so ein traditioneller Weg, gerade auch für den Mittelstand, um sehr eng am Kunden auch erfolgreich zu sein. Wenn man aber jetzt mal so schaut, was machen wir auf zentraler Ebene in der Innovation bei Trumpf im Bereich Open Innovation, da würde ich vielleicht mal zwei, drei Dinge gerne hervorheben. Also das eine muss ich auch bestätigen: Auch wie für Basler ist für uns ein ganz zentrales Thema, Ökosysteme zu bespielen und strategische Netzwerke und Partnerschaften aufzubauen – zu all den unterschiedlichen Partnern, die wir gerade gehört haben, ob das Universitäten sind oder Forschungseinrichtungen oder auch in die Start-up-Welt hinein. Und wir versuchen, das eben auch gezielt immer mehr international zu machen. Es ist wichtig, auch für ein mittelständisches Unternehmen, Innovation nicht nur aus Deutschland heraus zu betrachten, sondern eben auch in den Ökosystemen präsent zu sein, wo große Innovationen in unseren Bereichen entstehen – und das ist in Nordamerika, das ist in Asien, das ist in Israel und ist natürlich auch in vielen europäischen Ländern. Das Zweite ist: Am Ende des Tages, wenn man mit diesen Netzwerken arbeitet, hat man einen Wulst an Informationen. Das ist quasi ein Information-Overkill. Man hat viele Möglichkeiten, viele Partner, viele Impulse. Und wir versuchen, die zu analysieren und zu bündeln, was man so typischerweise „Foresight“ nennt: Wir versuchen, einfach mal herauszufinden: Wie können wir auf Basis dessen, was wir wissen, die richtigen Schlüsse ziehen, um strategisch unsere Themen weiterzutreiben? Das ist auch ein Thema, was wir sehr zentral betreiben, und damit eben auch Innovation und damit auch Open Innovation ermöglichen. Und jetzt ein bisschen im engeren Sinne, was auch sehr nah an den Gedanken von Open Innovation dran ist: Wir haben unsere Start-up-Aktivitäten. Und das habe ich vorhin schon mal kurz angesprochen: Zum einen haben wir einen Investment-Arm, der in Start-ups investiert – typischerweise frühphasigere Start-ups, Investitionsrunde A, B –, mit Trumpf Ventures. Und da heißt es: Wir beteiligen uns an interessanten Zukunftswetten, die auch in unseren Interessensbereichen agieren, um einfach hier zu lernen, aber eben auch die Option für die Zukunft für uns aufzubauen. Als Zweites arbeiten wir strategisch eben mit Start-ups zusammen. Das tun wir, indem wir erst mal über ein Scouting die richtigen Partner finden, diese mit unseren Geschäftsbereichen zusammenbringen und dann eben auch deren Zusammenarbeit unterstützen. Und das Internehmerprogramm habe ich vorhin schon mal angesprochen. Wir versuchen halt eben auch aus uns heraus, diesen Start-up-Gedanken aufzunehmen und durch den Aufbau eigener Start-ups, die wir dann eben auch als Start-ups ein bisschen an die lange Leine nehmen und sie weiterentwickeln lassen, diese Kraft, die ein Start-up entwickeln kann, auch für uns als Innovationstreiber zu nutzen.

HT Frau Scheer-Danielsson, bei Ihnen klang es vorhin auch schon mal an, als Sie über Hürden sprachen, also Hindernisse für Open Innovation. Was sind denn Ihrer Erfahrung nach typische Hürden in einem mittelständischen Unternehmen? Sie haben vorhin schon das Stichwort Isolation genannt, aber vielleicht gibt es ja noch mehr.

AS Sehr gerne. Nach meiner Erfahrung gibt es eine ganz große Hürde bei Open Innovation. Die kann man zusammenfassen als Mindset. Und das hat aus meiner Sicht in Deutschland sowohl beim Mittelstand, aber auch in großen Konzernen und Kleinunternehmen unter anderem starke kulturelle Hintergründe. Und da schwingt nach meiner Erfahrung häufig eine Angst mit gegenüber dem Wettbewerb, zu transparent zu sein und zu viel preiszugeben. Und das hält Einzelinnovatoren in mittelständischen Unternehmen, aber auch in großen Unternehmen oder bei den kleinen häufig davon ab, externe Impulse zu nutzen, die ins Unternehmen reinzutragen und, ja, das eigene Innovationspotenzial voll auszuschöpfen und was Tolles zu schaffen. Und da hatte ich ja vorhin schon gesagt: Das führt dann leider – total leider – vielfach zu Isolation. Deswegen haben wir aus meiner Sicht im Vergleich zu den US-Amerikanern noch viel zu lernen, was Mindset-Change angeht und eben Open Innovation, um als Deutschland die Innovationslandschaft tatsächlich nachhaltig zu verbessern, nachhaltig zu stärken. Weil wenn man sich US-Amerikaner anschaut – ich habe in früheren Positionen viel mit Amerikanern zusammengearbeitet, auch im Innovation-Bereich –, dann gibt es dort deutlich weniger Scheu, auf andere zuzugehen, mit anderen zusammen zu co-createn, was Herr Hehle vorhin schon angesprochen hat, Wissen auszutauschen, einfach weil klar ist für alle Beteiligten, alle Player, dass daraus eine Win-win-Situation erzielt werden kann und man eben das eigene Unternehmen weiterbringt und für die Zukunft stärkt.

HT Herr Hehle, bei einem Konzern wie Trumpf mit über 14.000 Mitarbeitenden ist das vielleicht ja ähnlich – oder wo liegen bei Ihnen die Hürden?

MH Also ich kann mich im Prinzip Frau Scheer-Danielsson nur anschließen, und ich glaube auch, das hat relativ wenig mit der Größe eines Unternehmens zu tun. Wir haben das zentrale Problem – und ich spüre das auch immer wieder, gerade bei technologiegetriebenen Unternehmen –, dass wir einmal diese Angst haben, dieses fehlende Vertrauen, uns zu öffnen für Partner, weil wir könnten ja proprietäres Wissen verlieren, umso mehr, wenn wir jetzt innovieren in Märkten wie China – ist ein spannendes [Land], auch ein spannendes Innovationsland, nicht nur ein Absatzmarkt, was viele da so ein bisschen vergessen. Und da scheuen wir uns sehr, sehr oft, eben diesen Weg der Gemeinsamkeit zu gehen, weil wir Angst haben, was zu verlieren. Das andere – und das ist vielleicht noch ein zusätzliches Thema, was ich …: Umso stärker man eigentlich erfolgreich ist im eigenen Geschäft und umso stärker man auch Technologiekompetenz hat, das ist dieses sogenannte und klassische Not-invented-here-Syndrom, ja? Wenn ich eine große Organisation habe – umso größer, vielleicht umso stärker –, die sehr stark ist, die Weltmarktführer in ihrem Bereich ist, dann hat sie eigentlich typischerweise das Gefühl, die Ingenieure, die Entwickler: Wenn’s wir nicht können, kann’s kein anderer – und schon gar nicht ein Start-up, das vielleicht aus jungen Gründern besteht und die vielleicht erst seit ein paar Jahren im Markt sind. Und diese Barrieren … Ja, wir wissen viel, aber wir wissen definitiv nicht alles. Die Welt verändert sich, und zwar sehr, sehr schnell. Und auch Wissen wird sehr, sehr schnell in verschiedenen Stellen in der Welt weiterentwickelt. Und wir müssen uns dieser Situation stellen, dass wir eben auch Partner brauchen, um es weiterzugeben: Dieses Not-invented-here-Syndrom, das müssen wir überschreiten und das ist ein großes Thema. Man kann es übrigens, glaube ich, nur dann machen, indem man es schafft, die Partner zusammenzubringen. Und dann auch mal … ich meine, das ist ja das Problem: Man will ja gar nicht zusammenarbeiten, ja? Man kommt ja gar nicht in den Arbeitsmodus. Und wenn man mal zusammenarbeitet, dann funktioniert das oft ganz gut. Man versteht nämlich, wo die Stärken des einen oder des anderen liegen, und man respektiert sich und dieses Vertrauen baut sich auf und dann bauen sich die Barrieren auch ab. Aber diesen ersten Schritt zu tun, der ist schwer. Und dafür gibt es dann solche Bereiche wie die unsrigen, sage ich jetzt mal hier, die diese Barrieren auch versuchen, kleiner zu machen und die Brücke zu bauen.

HT Das ist ein gutes Stichwort für die nächste Frage. Sie haben ja jetzt beide die hohe Relevanz des Mindsets der Mitarbeitenden bei Open Innovation erwähnt. Wie gelingt es Ihnen denn, diese Mitarbeitenden mit ins Boot zu holen und dieses Mindset zu stärken?

AS Ich persönlich und auch wir bei Basler haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Partizipation zu fördern an Innovation und auch gezielt Mitarbeitende bei uns im Unternehmen zu begeistern für Innovation. Das heißt, Innovation darf nicht nur einem kleinen Kreis von Innovatoren zugänglich sein, sondern muss aus meiner Sicht inklusiv passieren, damit eben alle mitmachen können, Spaß an Innovation haben, den Mehrwert sehen und Innovation für das Unternehmen durch die Mitarbeitenden eben ein besonders hohes Standing bekommt. Was auch total cool ist und was bei uns sehr gut läuft, ist, dass wir ja kollektiv total viel Energie bekommen durch das gemeinsame Feiern von Highlights im Innovationsbereich und wir grundsätzlich auch alle Mitarbeitenden zu zum Beispiel unserer Award-Show einladen. Da wird der Innovator des Jahres gekürt. Ja, das macht sehr viel Spaß.

HT Herr Hehle, wie ist das bei Trumpf? Wie stellen Sie das Mindset für Open Innovation bei Trumpf sicher?

MH Ich denke, was zentral wichtig ist, ist, dass es ein klares Commitment des Top-Managements gibt zu dem Thema Innovation an sich, Open Innovation im Speziellen und aber vor allen Dingen auch zu dem Transformationsprozess, der notwendig ist. Und da hilft uns natürlich auch unsere Struktur als Familienunternehmen und unsere sehr unternehmerisch geprägte Kultur. Weil auch wir sind natürlich bemüht, Intrapreneure auszubilden, sie auch sozusagen über diese Programme und auch durch den Kontakt mit der Außenwelt, also mit Start-ups und Ähnlichem, dahin zu entwickeln, dass sie diese Methoden und diese Vorgehensweisen dann auch selber anwenden können, die uns dann helfen, auch Innovation effektiver und auch effizienter zu gestalten. Meiner Meinung nach ist es ganz zentral, Freiräume zu schaffen. Weil, wenn man es mal ganz platt sagt: Der Alltag tötet jede Bereitschaft, sich mit Neuem zu beschäftigen. Wenn Sie mit 120 Prozent Überlast an Themen arbeiten, dann haben Sie einfach nicht die Möglichkeit, out of the box zu denken. Und das dritte Thema, das ich vielleicht noch mal ganz kurz, auch in dem Kontext ansprechen möchte, ist die Wichtigkeit von Vorbildern, von Role Models, und zwar aus meiner Sicht emotionalen Role Models. Es ist einfach wichtig, dass es Menschen sind, die begeistert sind davon, die daran glauben, die dafür brennen und das auch vermitteln können. Man muss Menschen begeistern und motivieren, damit sie sozusagen den Weg, der teilweise sehr schwierig ist, aus der Komfortzone heraus zu gehen und sich dem Neuen zu öffnen. Und was dabei hilft, ist, dass man auch Leuchtturmprojekte entwickelt und die natürlich auch kommuniziert. Weil nichts ist so sexy wie der Erfolg. Und wenn Menschen sehen: Wir, ja, ich sage mal, wir gehen ins Risiko, wir verlassen die Komfortzone, und ja, es kann schwierig werden, aber man kann auch richtig erfolgreich sein dabei und das kann richtig Spaß machen und ich kann viel lernen dabei, dann sind sie auch bereit, diesen Schritt zu tun.

AS Ich sehe das genauso wie Herr Hehle und würde da gerne noch einen Aspekt anführen, der für mich eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass man eine Innovationskultur im Unternehmen hat. Und zwar geht es um eine moderne Fehlerkultur, die wir bei Basler zum Beispiel fahren. Da geben wir den Mitarbeitern wirklich Freiheiten, Freiheitsgrade, innovativ zu sein und auch mal zu scheitern. Unser Mantra ist dabei bei Basler, dass wir, ja, keine Fehler machen, sondern Erfahrungen.

HT Also Erfolg kann sexy sein und scheitern kann eine Erfahrung sein. Darüber würde ich auch gern kurz sprechen. Was war denn jeweils Ihre beste und Ihre schlechteste bisherige Erfahrung mit Open-Innovation-Ansätzen?

AS Meine beste Erfahrung bisher war – beziehungsweise sind das mehrere –, dass ich mit vielen sehr begeisterten jungen Menschen aus Start-ups gesprochen habe, die ganz versessen darauf waren, gemeinsam zu innovieren, was zu verändern in der Welt. Insbesondere im Bereich Sustainability habe ich da ganz tolle Sachen erlebt und glaube deswegen fest an Open Innovation und an die neue Generation, die das ja in die Märkte, in die Unternehmen tragen wird. Auf der anderen Seite habe ich natürlich – da hat Herr Hehle bestimmt ähnliche Erfahrungen gemacht – auch mit Unternehmen zu tun gehabt und Unternehmensvertretern, die durchaus innovative Ideen, Gedanken, Projekte hatten, aber die sehr zögerlich waren, inhaltlich darüber zu sprechen.

HT Auch an Sie die Frage, Herr Hehle: Was war die beste, was war die schlechteste Erfahrung mit Open Innovation?

MH Das ist natürlich keine einfache Frage, weil es gibt sehr viele gute und sehr viele schlechte Erfahrungen in dem Kontext. Aber ich versuche es vielleicht mal so zu sagen: Die guten Erfahrungen kommen sehr oft aus genau diesem Ansatz mit diesen begeisterten Talenten in Ökosystemen, die dynamisch und vorwärtsschauend sind, zusammenzuarbeiten. Also mal ein konkretes Beispiel: Ich bin ein relativ großer Fan von Israel; und wir haben in einem anderen Kontext, nicht jetzt bei Trumpf, mal Innovationen in Israel gefördert, haben Talente aus dem Unternehmen in dieses Ökosystem mit reingebracht, haben sie mit Start-ups zusammengebracht, haben einfach mal diese ganze Welt da aufgesaugt. Und Sie würden es nicht glauben: Diese Menschen sind nach relativ kurzer Zeit mit, ja, einem Feuer in den Augen zurückgekommen und haben diese Innovationskraft auch wieder in die Organisation reingetragen. Es ist zwar immer schwierig, das dann in der Organisation zu verankern und weiterzutreiben. Aber diese Begeisterung, die auch teilweise Mitarbeiter, die schon lange in einer relativ festgefahrenen Rolle sind, ergreifen kann, wenn sie dann in diesen Netzwerken und in diesem Umfeld, in diesem dynamischen, kreativen, innovationsgetriebenen Umfeld sind, das ist wirklich begeisternd, auch für mich persönlich. Die schlechtesten Erfahrungen habe ich immer gemacht, wenn es darum ging, in großen Strukturen, vielleicht auch größeren als jetzt Trumpf hat, zu versuchen, schnell und dynamisch auf Herausforderungen zu antworten, und das mit schnellen, dynamischen Partnern zusammen. Die Abstimmungsprozesse, die Bereitschaft, Risiken einzugehen, die Art und Weise, wie man Erfolg misst, sind oft so unterschiedlich zu dem, was notwendig ist, um erfolgreich zu sein. Und da ist es mir auch in meinem Berufsleben öfter passiert, dass tolle Themen verloren gegangen sind, weil wir zu langsam waren, weil wir nicht bereit waren, gewisse Risiken einzugehen, oder eben weil kein Verständnis dafür da ist, was das Potenzial ist, was am Ende des Tages möglich gewesen wäre.

HT Ja, fast schon zum Abschluss möchte ich gern auf das Thema vom Anfang unseres Gesprächs zurückkommen, nämlich die Frage, ob kleine und große Unternehmen bei Innovationen voneinander lernen können. Gibt es bei Ihnen beiden einen Gedanken aus diesem Gespräch, der jetzt noch nachhallt, den Sie für sich persönlich oder für Ihr Unternehmen mitnehmen?

MH Ja, was mir sehr, sehr aufgefallen ist im Gespräch, ist einfach, dass kleines Unternehmen, großes Unternehmen eigentlich keinen großen Unterschied macht, ja? Wir haben ähnliche Herausforderungen. Wir haben ähnliche Methoden. Wir setzen nicht immer alle ein, das ist ganz klar, das gibts zu viele dazu. Am Ende des Tages ist es zentral wichtig, dass jeder für sich das passende Innovationsökosystem entwickelt, was zu ihm, seiner Kultur, auch seinem Unternehmen passt. Und ich glaube, da kann man viel voneinander lernen. Stetiger Austausch, jeder macht Erfahrungen. Am Ende des Tages aber muss jeder für sich seinen Weg finden. Und einige der Verfahren, die Frau Scheer-Danielsson eben auch beschrieben hat, habe ich tatsächlich auch schon in anderen Aufgaben, in anderen Firmen eingesetzt, kann ich nur bestätigen, dass die sehr gut sind. Passt aber vielleicht wieder in einen anderen Kontext nicht so gut rein. Und das ist eine interessante Erfahrung. Wir brauchen zielgerecht auf das entsprechende Unternehmen und die Unternehmenskultur abgestimmte Innovationssysteme.

HT Sie haben eifrig genickt, Frau Scheer-Danielsson. Wie ist Ihre Antwort?

AS Ich würde mich da bei Herrn Hehle anschließen. Was ich noch dazu empfehlen würde aus meiner Erfahrung heraus, ist, dass man vieles ausprobiert, ob kleines, mittelständisches oder großes Unternehmen. Man muss seinen Weg finden und das geht über Trial and Error. Deswegen ist ausprobieren wichtig, um am Ende das zu finden, was fürs eigene Business an Innovationsprogrammen passend, richtig und zukunftssichernd ist.

HT Was glauben Sie? Wie wird sich Open Innovation in den nächsten Jahren weiterentwickeln, in Ihren Unternehmen, aber auch generell?

MH Also aus meiner Sicht ist Open Innovation ein Muss, um auch in Zukunft erfolgreich in der Innovation zu sein. Wir haben es vorhin angesprochen, was die Treiber sind; und ich denke, kein Unternehmen wird langfristig innovativ erfolgreich sein, das sich nicht dem Open-Innovation-Gedanken öffnet. Für Trumpf kann ich sagen: Wir haben Open Innovation als eine zentrale Möglichkeit, Innovationen zu stärken und weiterzuentwickeln, für uns erkannt. Und wir werden definitiv dieses Thema weiterentwickeln, anpassen auch an die dynamische Entwicklung in der Zukunft und hier diesen Schritt weiter nach vorne gehen.

AS Ich kann mich da auch anschließen. Ich denke, dass Open Innovation auch immer weiter ein Thema wird für verschiedene Unternehmen, einfach weil die Veränderungszyklen im Markt immer kürzer werden und es eine klare Notwendigkeit gibt, mit anderen bei dem Druck, der da herrscht, zu innovieren, was ich persönlich sehr begrüße. Wir bei Basler sind schon immer Verfechter von Open Innovation gewesen. Aber wir wollen unsere Netzwerke, Ökosysteme weiter ausbauen, mehr Programme installieren, mit noch mehr Menschen global zusammenarbeiten und innovieren und, ja, das immer mit Spaß bei der Sache.

HT Ganz herzlichen Dank. Was ist Open Innovation? Und wie gelingt sie in der Praxis? Darüber habe ich mit zwei Fachleuten für Innovation gesprochen, nämlich Ariane Scheer-Danielsson von der Basler AG und Mario Hehle von Trumpf. Ich danke Ihnen sehr herzlich!

MH Sehr gerne, hat sehr viel Spaß gemacht.

AS Vielen Dank, hat sehr viel Spaß gemacht.

HT Ob neue Innovationsprozesse oder andere Formen von Veränderung – Wandel fällt nicht immer leicht. Wie können Transformationsprozesse in Unternehmen trotzdem gelingen und welche Rolle spielt dabei der Faktor Mensch? Darüber spreche ich in der kommenden Folge mit der Geschäftsführerin eines wandlungsfähigen Familienunternehmens und mit einem renommierten Sozialpsychologen. Bis zum nächsten Mal, sagt Holger Thurm.

Das war Zukunft:digital. Wollen auch Sie Digitalisierung oder Innovation in Ihrem Unternehmen vorantreiben? Informationen zur Förderung finden Sie unter: kfw.de/digitalisieren und kfw.de/innovation

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