Künstliche Intelligenz – der Weg in die Zukunft?

Shownotes

„Künstliche Intelligenz“, kurz KI, gilt als wichtige Zukunftstechnologie. Doch was genau ist eigentlich gemeint, wenn wir von Machine Learning oder Deep Learning sprechen? Welche Herausforderungen lassen sich mit KI schneller oder besser lösen? Und wo liegen die Grenzen von KI?

Im Gespräch mit Vanessa Cann, Co-Vorsitzende des KI-Bundesverbands, und Prof. Dr. Kristian Kersting, KI-Forscher an der Technischen Universität Darmstadt, gehen wir diesen und weiteren Fragen nach. Unsere Gäste sprechen über konkrete Potenziale von künstlicher Intelligenz für Unternehmen, diskutieren aber auch über die Grenzen von KI-Lösungen und mögliche Wechselwirkungen mit globalen Themen wie dem Klimaschutz.

Mehr Informationen zum Thema und den Fördermöglichkeiten auf

kfw.de/digitalisieren

kfw.de/zukunft-digital

Transkript anzeigen

Wie gelingt die Digitalisierung? Wie werden aus Krisen Chancen? Und wie können Unternehmen in digitale Innovationen investieren? Kompetente Antworten, Inspiration und Expertenwissen gibt es bei Zukunft:digital – einem Podcast der KfW-Bankengruppe.

HT Um einen Begriff kommt man in der Debatte um Digitalisierung nicht herum, nämlich „künstliche Intelligenz“, kurz „KI“. Was ist künstliche Intelligenz eigentlich? Welche Potenziale birgt diese Technologie, die als Schlüsseltechnologie gilt? Und wie können mittelständische Unternehmen diese Potenziale heben und von KI profitieren? Sprechen wir darüber, und zwar mit einer Expertin des KI-Bundesverbands und mit einem KI-Forscher der Technischen Universität Darmstadt. Herzlich willkommen, sagt Holger Thurm!

HT Der Bundesverband Künstliche Intelligenz setzt sich zum Beispiel für den Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmen ein, aber auch dafür, dass Deutschland und die EU ein attraktiver KI-Standort werden. Geschäftsführerin in der Doppelspitze ist Vanessa Cann. Hallo Frau Cann!

VC Hallo Herr Thurm! Schön, dass ich heute hier sein kann.

HT An der TU Darmstadt forscht Prof. Kristian Kersting zu künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Sie leiten das Artificial Intelligence And Machine Learning Lab, kurz AIML. Sie sind auch Buchautor, erklären in Ihren Büchern KI allgemein verständlich. Und 2019 haben Sie den deutschen KI-Preis erhalten. Herzlich willkommen, Herr Prof. Kersting!

KK Hallo und danke für die Einladung!

HT Frau Cann, Sie engagieren sich neben Ihrer Arbeit im Verband auch als Mentorin für Start-ups und bei Women in AI. Lassen Sie uns doch kurz beleuchten: Wie kamen Sie zu dem Thema KI? Und womit beschäftigen Sie sich beim KI-Verband vorrangig?

VC Ja tatsächlich, wie glaube ich viele Frauen im Bereich KI über Umwege, also gar nicht so sehr über den direkten Weg. Ich habe keinen technischen Hintergrund. Ich bin Politikwissenschaftlerin, und nach meinem Studium habe ich beschlossen, in die Politikberatung zu gehen – zu einer Zeit, als das Thema KI gerade ein politisches Thema wurde. Und habe immer wieder festgestellt auf den vielen Veranstaltungen, auf denen ich war, eigentlich ist das, was die Politik diskutiert, hier gar nicht oft das, was die Entwicklerinnen und Entwickler oder auch die Forscher*innen interessiert oder auch berührt im täglichen Doing. Und genau an diesen Stellschrauben wollte ich arbeiten. Diese Brücke wollte ich spannen und fand das sehr sehr spannend, auch gerade da die Übersetzerin zu sein zwischen diesen ganzen Welten. Nach der Politikberatung war ich dann beim Start-up-Verband für eine ganze Weile für das Thema KI und Future Mobility zuständig, habe da auch gerade die Start-ups vernetzt mit den Risikokapitalgebern, mit auch gerade den etablierten Unternehmen. Und deswegen war dann der sukzessiv nächste Schritt dann der KI-Bundesverband. Und wir als KI-Bundesverband vertreten mittlerweile 400 Unternehmen im Feld der KI, sind als Stimme der KI-Unternehmen im politischen Raum unterwegs und übersetzen da quasi gerade die Herausforderungen, vor denen KI-Unternehmen stehen, in die Politik, aber sind natürlich auch viel vernetzt mit der etablierten Wirtschaft und versuchen da, mehr Offenheit und Innovationskraft voranzutreiben. Weil oft sind KMUs zum Beispiel auch gerade noch vor der Herausforderung, dass sie gar nicht wirklich wissen, was ist KI überhaupt? Und da wollen wir helfen.

HT Herr Prof. Kersting, künstliche Intelligenz erfährt zurzeit einen regelrechten Hype. Wir reden von KI oder englisch AI für Artificial Intelligence, von „maschinellem Lernen“ beziehungsweise Machine Learning oder auch Deep Learning. Das sind alles Begriffe, die in ihren Unterschieden nicht jedem geläufig sind. Reden wir da eigentlich immer vom Gleichen und könnten Sie kurz erläutern, was diese Begriffe bedeuten?

KK Sehr gerne! Also wir reden da nicht über das Gleiche. Also „künstliche Intelligenz“ – also der Begriff wurde 1956, vielleicht auch ein bisschen früher, weil man ja schon vorher was geschrieben hat, geprägt, und zwar durch John McCarthy. Und es war auch sozusagen das Ziel, die erste Konferenz, den ersten Workshop dazu zu machen. Dafür müsste man einen Begriff finden. Man hat sich eben auf Artificial Intelligence geeinigt. Und die Definition, die zumindest dort benutzt wurde, ist, dass künstliche Intelligenz sich damit beschäftigt, ob wir intelligentes Verhalten in Computerprogrammen abbilden können. Jetzt können wir uns fragen, was bedeutet das? Also erstens, intelligentes Verhalten, was ist das? Ja das ist irgendwie alles, was wir uns so vorstellen können. Also lesen ist sicherlich etwas, was zu Intelligenz gehört, lernen, nachdenken, planen, handeln, optimal vielleicht sogar handeln, optimal unter Unsicherheit, schlussfolgern unter Unsicherheit. Da gibt es so viele Dinge. Also künstliche Intelligenz ist alles, was mit intelligentem Verhalten zu tun hat. Lernen ist ein spezielles, intelligentes Verhalten. Aber jetzt fragen wir uns sozusagen, gibt es Computerprogramme, die das Lernen abbilden können? Und dann kann man sich innerhalb dieses maschinellen Lernens fragen, gibt es vielleicht Verfahren dieses Lernens, die irgendwie zumindest motiviert sind durch das Gehirn, was wir so kennen. Das nennt man dann Neural Networks, Artificial Neutral Networks oder Deep Learning, das, was Sie angesprochen hatten. Also wenn man das zusammenfasst, tiefes Lernen ist weniger als maschinelles Lernen, maschinelles Lernen ist weniger als künstliche Intelligenz. Trotzdem ist das tiefe Lernen der aktuelle Motor für all diese Durchbrüche, für all diese neuen Transformationsprozesse, die wir durch künstliche Intelligenz gerade alle erleben.

HT Jetzt forschen Sie ja momentan am AIML der TU Darmstadt. Was sind denn die spannendsten Fragen aktuell rund um KI, mit denen Sie sich zurzeit beschäftigen?

KK Da gibt es einfach zu viele richtig spannende Fragen. Also eine Sache, die ich ganz wichtig finde, und vielleicht, um das auch so ein bisschen zu motivieren: Wenn man so ein bisschen zumindest in Deutschland in die Öffentlichkeit reinhorcht, aber auch finde ich in die Politik auch, in andere Forschungszweige, auch in den Mittelstand, dann habe ich immer das Gefühl, dass wir alle KI doch ein bisschen negativ sehen. Wir hören dann ganz häufig so etwas wie Arbeitsplatzverlust, Ungleichheit, Diskriminierung, Deep Fakes. Ja, manchmal hört man auch so irgendwie so Apokalyptisches: Singularität, die Maschinen übernehmen morgen doch schon die Weltherrschaft, und weil sie ja so intelligent sind, schaffen sie die Menschheit ab. Ich möchte in meiner Forschung all das eigentlich nicht mehr hören, weil ich finde, das ist nicht KI. Wir müssen mal darüber reden, was KI wirklich ist. Wir haben es gerade definiert. Aber was bedeutet das denn jetzt hier? Also wir haben Arbeitsplatzverlust gehört. Bis jetzt ist es glaube ich so, dass Arbeitsplätze nicht wirklich verlorengegangen sind durch KI, sondern wir arbeiten eben daran, wie können wir den Menschen in seiner Tätigkeit unterstützen? Also wie können wir die natürliche Intelligenz noch stärker machen? Und das ist das, was wir auch in meiner Gruppe machen. Also eine Sache ist: Wie können wir interagieren? Können wir Feedback geben? Können wir jetzt eben also nicht nur erklären, was ist falsch gegangen, sondern auch automatisch das korrigieren? Eine andere Arbeit, die ich ganz wichtig finde: Wir reden oft davon, dass Diskriminierung stattfinden kann, dass Verzerrungen in den Daten vorherrschen, die wir Menschen in unseren Daten leider schon widerspiegeln. Was wir zeigen konnten aktuell, ist, dass genauso wie es diese Diskriminierung gibt, auch unsere Wertevorstellungen in den Daten reflektiert werden. Also diese Systeme können durch uns aufschnappen, dass es gut ist, Menschen nicht zu töten, dass es gut ist aber, Zeit totzuschlagen; dass man seine Freundin, seinen Freund nicht betrügen sollte. Und das finde ich extrem wichtig, weil wir ja irgendwann mit diesen Systemen sehr eng zusammenarbeiten wollen. Und dann möchte ich gerne, dass die Systeme nicht überrascht sind, dass wir eben das menschliche Leben sehr hochschätzen. Ich glaube, das ist sehr wichtig zu verstehen, dass Maschinen erstmal nichts Böses sind. Eine andere Arbeit ist: Oft müssen die Maschinen Entscheidungen treffen. Dafür ist es vielleicht gut, dass diese Maschinen verstehen, dass sie selber unsicher sein können. Ja also, es ist nicht immer einfach, genau zu wissen, ist das jetzt Hund oder Katze? Man denkt immer, das ist jetzt mittlerweile ganz einfach. Aber vielleicht hat man diese Unterscheidung zwischen Hund und Katze nur gelernt in den Bildern, weil es noch zusätzliche Informationen in den Bildern gibt. Also man hat meinetwegen die Katzen immer aufgenommen, während sie gestreichelt wurden und die Hunde hat man aufgenommen, während sie draußen im Wald laufen. Und das System ist intelligent genug zu verstehen, immer wenn ich Bäume sehe, sage ich Hund. Und dann vielleicht das Letzte, um den Kreis zu schließen, ich finde es ganz wichtig und spannend: Können nicht wir Menschen vielleicht auch von den Maschinen was lernen? Also wenn wir interagieren mit den Maschinen, kann vielleicht die Maschine herausbekommen: „Ja, irgendwie machst du hier immer wieder denselben Fehler. Vielleicht solltest du da nochmal ein bisschen nachschauen, nochmal lesen, mit Kolleginnen und Kollegen reden?“ Und bei dem Ganzen geht es nicht um die Optimierung des Menschen, sondern wirklich nur darum, unser Leben einfacher, angenehmer zu gestalten, so dass wir mehr Zeit haben für das, was wir wirklich relevant finden.

HT Ich würde zunächst gerne mal mit Blick auf den Mittelstand den Ist-Stand beleuchten. Also die folgenden Zahlen sind von 2019: Vier Prozent der mittelständischen Unternehmen in Deutschland setzen zu diesem Zeitpunkt KI bereits ein, zwei Prozent wollen KI-Systeme bis Mitte 2021 implementiert haben, neun Prozent ziehen den Einsatz von KI lediglich in Erwägung. Frau Cann und Herr Prof. Kersting, wie beurteilen Sie die Lage? Ist KI im deutschen Mittelstand wirklich angekommen?

VC Ja also, ich merke schon, dass die Zahlen, die Sie ja genannt hatten, waren von 2019. Und ich glaube, seit 2019 bis 2021, wird jedem aufgefallen sein, ist einiges passiert. Wir hatten eine Pandemie, und ich glaube, diese Pandemie hat durchaus dazu geführt, dass sich sehr viele KMUs auch mit der Frage beschäftigt haben: Wie können wir uns zukunftsorientiert aufstellen und auch gerade Digitalisierung und KI da als Lösung sehen? Wir sehen schon, dass die Zahlen deswegen halt wirklich Aufschwung gewonnen haben. Viele KMUs sind glaube ich mittlerweile da, dass sie KI als eine der Zukunftstechnologien sehen und verstanden haben, dass sie sich damit auseinandersetzen müssen. Was aber ganz wichtig ist, ist dass KI einfach so ein theoretisches Konstrukt ist, dass es für viele sehr, sehr schwierig ist, zu fassen, was sind eigentlich Anwendungsfälle, die für mich als KMU auch wirklich greifbar sind, die sinnvoll sind? Was ist mein Return on Investment? Was bekomme ich also am Ende auch raus? Und deswegen haben viele KMUs tatsächlich immer noch Herausforderungen damit, sich an ein KI-Projekt heranzuwagen. Also wir sehen zum einen halt, die Offenheit steigt, aber halt wirklich noch nicht das Verständnis, was ist KI eigentlich für mich? Was bedeutet das? Und wie kann ich KI auch anwenden? Aber auch die Frage der Unsicherheiten rund um Daten: Wo bekomme ich die Daten überhaupt her? Wie kann ich die digitalisieren, sortieren, dass ich überhaupt mit KI arbeiten kann? Wie komme ich an die richtigen Talente ran? Das sind alles Fragen, die KMUs noch herumtreiben, wenn sie sich an KI-Projekte heranwagen. Und deswegen haben wir da immer noch sehr, sehr große Hürden – auch wenn quasi die Aufmerksamkeit da ist auch das Thema –, auch wirklich KI in die Anwendung zu bringen.

KK Ja, das ist sicherlich richtig, was gesagt worden ist, aber ich möchte die KMUs da auch nicht so ganz aus der Verantwortung herauslassen. Wenn ich mit Firmen, auch mit dem Mittelstand rede, dann hört sich das immer so an: „Ja, wir warten, bis wir es dann doch einkaufen können.“ Und das ist ein falsches Verständnis dessen, was KI ist. Ja, man kann sicherlich für viele Dinge irgendwann auch Lösungen einkaufen. Aber im Zweifelsfalle ändert sich was. Und dann brauchen wir wieder eine neue Lösung. Und deswegen brauchen wir irgendwie diesen Transfer der Köpfe. Wir müssen es irgendwie hinbekommen, dass in den Firmen selber oder in den Strukturen um die Firmen herum KI-High-Potentials sitzen. Denn ansonsten sitzen wir immer da und müssen warten, ob eine Lösung entwickelt worden ist. Also das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist, ich glaube, KI ist eben auch eine kulturelle Änderung. Und das heißt, dass ich nicht nur ein Projekt mache, wie ich es bisher gemacht habe, sondern ich muss mich darauf einlassen, anders an die Fragen, die Probleme heranzugehen. Und dafür muss ich mal den ersten Schritt wagen und nicht eben abwarten. Auf der anderen Seite verstehe ich das Problem, und es ist auch nicht einfach. Und deswegen versuchen wir gerade, aber auch der KI-Bundesverband – und auch gemeinsam –, irgendwie diese Brücke zu bauen. Denn unter Umständen müssen wir einen starken Invest erstmal tätigen, bevor ich KI anwenden kann. Und das ist schwierig. Und deswegen versuchen wir gerade in Hessen so etwas wie, wir nennen das KI-Innovationslab aufzubauen. Das heißt, wir stellen die Infrastruktur bereit. Wir stellen auch KI-High-Potentials im gewissen Sinne bereit. Und jetzt können wir zusammen mit dem Mittelstand uns mal für einen Monat um ein Problem vielleicht kümmern, was diese mittelständische Firma hat. Und dann können wir auf unserer Infrastruktur das Problem versuchen zu lösen, zumindest im Ansatz, so dass das, was Frau Cann gerade sagte, dass man das Gespür dafür bekommen kann: Lohnt sich die Investition, ja oder nein? Und das andere, was ich gerne machen würde: Wir brauchen glaube ich wirklich diese Erlebnisräume künstliche Intelligenz im öffentlichen Raum für Bürgerinnen und Bürger. Denn meine Erfahrung ist: dass die Leute KI … ein bisschen Angst davor haben, weil sie eben nicht wissen, was KI ist. Und in dem Moment, wo man mal zeigt, was KI ist, kriege ich oft widergespiegelt: „Nein, das kann nicht sein, das habe ich ja verstanden. Das ist ja auch gar nicht magisch. Es ist ja auch nicht böse.“ Und das wäre glaube ich so wichtig in Deutschland, dass wir einfach mal verstehen: KI ist eine Wissenschaft, meinetwegen eine Ingenieursdisziplin, die uns helfen kann, die Zukunft zu gestalten. Und wir sehen einfach, dass die größten Firmen, die bestbewerteten Firmen alle durch KI angetrieben werden. Und deswegen: Da dürfen wir jetzt nicht mehr warten! Also ich kann den Mittelstand nicht ganz aus dieser Verpflichtung entlassen, dass sie jetzt auch mal Geld in die Hand nehmen müssen und sagen müssen: „Wir wollen das!“ Und dann kriegen wir das gemeinsam bestimmt hin!

HT Es gibt ja diese Vorurteile, dass KI in meinem Betrieb nicht notwendig ist. Oder das kostet nur Arbeitsplätze! Oder ist es eigentlich viel zu teuer für mich! Frau Cann und Herr Prof. Kersting, wie können wir diesen Vorurteilen begegnen? Was davon ist denn falsch? Und wo ist vielleicht was Wahres dran?

KK Also ich würde erst einmal sagen, da ist ja auch ein bisschen Wahrheit mit drin. Also es geht eben nicht darum, KI überall und für alles anzuwenden. Wie gesagt, es geht darum, unser Leben, unsere Produktion, unsere Aufgaben einfacher zu gestalten. Und jetzt können wir mal gucken, wo kann man das anwenden? Naja, in der Produktion ist glaube ich Qualitätsprüfung ein großer Bereich, wo man ganz offensichtlich künstliche Intelligenz anwenden kann. Ein anderer Bereich ist in der Korrespondenz. Es gibt aktuell neue Systeme, die helfen, zumindest mal so etwas wie E-Mails vorzuformulieren, basierend auf Stichwörtern. Diese Systeme können auch helfen bei der Übersetzung. Und vielleicht ist die Übersetzung dann nicht überall gleich ganz perfekt. Aber ich glaube, das Gegenüber versteht trotzdem sehr gut, was schon da ist. Also die Sprachbarriere fällt. Das sind so einfache Beispiele, wo wir das alltäglich eigentlich einsetzen können. Aber auch im Kundenkontakt: Wenn man zumindest Kundenkontakt hat, kann man auch viele dieser Fragen, die wir bisher oft dann statisch durch Texte beantworten interaktiv beantworten. Ich glaube, es gibt so viele Beispiele, und Frau Cann wird sicherlich noch viele andere Beispiele bringen?

HT Frau Cann, jetzt sind wir schon mitten im Thema Anwendungsbeispiele. Welche Anwendungsfelder für KI gibt es denn aus Ihrer Sicht für den Mittelstand? Wo liegen hier die Potenziale und Innovationsfelder? Wo liegen vielleicht auch die Risiken?

VC Ja, also absolut wichtige Frage! Und Herr Kersting hatte es gerade auch schon gesagt. Also KI ist letztlich ein Tool. Und ich höre immer wieder von Beispielen, wo KMUs, aber auch Corporates ehrlich gesagt sagen: „Hier, wir müssen irgendwas mit KI machen! Weil KI ist letztendlich Schlüssel zur Lösung. Und wenn wir irgendwas mit KI machen, dann ist unsere Zukunft gerettet.“ So ist es natürlich nicht, sondern ich glaube, man muss sich herantasten, in seinen Tagesablauf reinzugucken, in seine Routinen, und zu gucken: Was sind denn zähe Prozesse, die sich immer wieder wiederholen? Wo sehen wir denn, dass … zum Beispiel E-Mails ist so ein Thema, was immer wieder aufkommt – Herr Kersting hat es auch aufgebracht –, was einfach sehr viel Zeit schluckt, wo man das Gefühl hat, so: „Hey, da hätte ich eigentlich gerne Entlastung.“ Also deswegen, ich glaube, bei Punkten, wo man das Gefühl hat, man hat wirklich diese Redundanzen, dieses ständige Wiederholen von Prozessen, das ist zum Beispiel ein Punkt, wo man sehr gut mit KI Abhilfe schaffen kann. Wir haben selbst ein Tool, wo ich auch gerne die Zuhörerinnen und Zuhörer aufmuntern möchte, das mal zu nutzen, das heißt What can AI do for me? Haben wir jetzt in Baden-Württemberg gestartet mit vielen KMUs, die diese Plattform auch schon nutzen. Wir haben da ganz viele KI-Unternehmen dahintergeschaltet, die auf ihre Lösungen aufmerksam machen können und machen wollen auch mit dieser Plattform. Man kann als KMU einfach mal reintippen, was so eine Herausforderung ist, die man gerade hat, und findet dazu ganz viele Lösungen. Ich glaube, das kann einem vielleicht ganz viele Impulse geben, wo man mal sieht: „Das ist mit KI möglich. Hier kann ich ansetzen.“ Das fängt natürlich an beim Manufacturing, Industrie 4.0, die intelligente Fabrik von morgen, wo ganz viele im Bereich der so klassischen KMU-Szene auch sehen, okay, da sehen sie ganz viel Potenzial, ihre Industrieprozesse zu effektivieren und da Abkürzungen zu schaffen. Da ist KI meistens eine gute Chance.

HT Herr Prof. Kersting, können Sie noch ein paar konkrete Beispiele für KI im Einsatz im Mittelstand nennen?

KK Na also, ich glaube, wir können wirklich in der Qualitätsprüfung, visuelle Qualitätsprüfung, das, was ich produziert habe, ist der Prozess noch am Laufen? Wenn was schiefgeht in der Produktion, wo kommt es her? Also nennt man englisch Route Cause Analysis. Liegt der Fehler in der Maschine? Liegt der Fehler vielleicht in einem Schritt, der vorher stattgefunden hat? Da gibt es ganz viele spannende Dinge. In der Automobilbranche natürlich, man kann über das autonome Fahren, über die Verkehrszeichenerkennung, Verkehrssituationseinschätzung – da gibt es natürlich ganz viele Sachen. Dann ein ganz großes Thema aktuell, daran arbeiten viele in Deutschland, ich glaube auch, dass das ein Standortvorteil von Deutschland sein kann, ist der digitale Zwilling. Also ich glaube einfach, dass wir es wirklich hinbekommen können durch die Daten, die wir an der Maschine, an verschiedenen Maschinen aufnehmen, ein Abbild der Maschine als auch der Teile, die wir produzieren, zu bekommen, so dass wir dann in einer Art Simulation schon vorausschauend sehen können, ob etwas demnächst verschlissen sein wird oder nicht. Oder was passiert, wenn in der Zuliefererkette Teile wegbrechen? Können wir Alternativen automatisch finden? Also da gibt es einige Beispiele. Aber ich glaube nochmal, es ist immer der falsche Weg zu sagen: „Geben Sie uns Beispiele!“ Diese Beispiele können immer uns nur inspirieren. Aber wir müssen verstehen, dass KI auch eine Art von Denkprozess ist, flexibel immer wieder zu fragen: Gibt es hier etwas, wo ich das vielleicht ein bisschen beschleunigen könnte, ja oder nein?

HT Gibt es denn irgendwelche Quick-wins, bei denen der Einsatz von KI ganz schnell positive Ergebnisse erzeugt? Oder steckt doch meistens mehr Aufwand dahinter?

KK Also, ich glaube im Sinne dessen, was wir gerade gesagt haben, zum Beispiel bei der E-Mail-Korrespondenz, auch bei Chatbots. Ich glaube, da geht das relativ schnell mittlerweile. Ansonsten, auch aus der eigenen Erfahrung, wenn es nicht die vorproduzierte Lösung ist, muss man auch schon etwas entwickeln und ein bisschen was hineinstecken. Aber dann ist auch der Return of Investment ziemlich groß typischerweise.

VC Vielleicht ergänzend dazu: Es ist natürlich auch immer wichtig zu wissen, man muss nicht unbedingt ein KI-Projekt starten. Es gibt auch ganz viele Dienstleister, die mittlerweile mit KI arbeiten. Und das heißt, auch so kann man natürlich auf KI-Dienstleistungen oder auf KI-Services zurückgreifen, ohne dass man jetzt für sich unmittelbar evaluieren muss, wie kann ich eine KI bei uns implementieren in ein System? Da gibt es viele Dienstleister, aber auch natürlich Produkte, die schon KI implementiert haben, die man heranziehen kann.

HT Wie können mittelständische Unternehmen das Thema KI denn angehen? Was sind die Do’s? Was sind die Don’ts? Was sollte man vermeiden? Und worauf sollte man achten?

VC Also die Don’ts würde ich gerne erstmal ausklammern, weil ich glaube, es ist ganz wichtig, da vor nichts Angst zu haben, sondern einfach mal zu machen. Also ich glaube, man muss einfach ins Machen kommen. Das ist das Wichtige, wovor sehr viele KMUs Angst haben. Also es wirkt einfach wie ein großer Berg, den man vor sich hat, die digitale Transformation des eigenen Unternehmens einzuleiten. Und man hat so vielfältige Möglichkeiten. Wir hatten ja über viele Use Cases auch gesprochen. Ich glaube, wichtig ist, dass man sich erstmal darüber im Klaren wird, wo sind eben Prozesse, die man effektiver machen kann im eigenen Unternehmen, und man sich dann darüber im Klaren wird, welche Unternehmen können da helfen? Und dann einfach ins Machen zu kommen.

KK Ja, das kann ich nur unterstützen. Und es gibt ja einige Angebote. Also es gibt neben dem, was schon genannt worden ist, auch die Plattform Lernende Systeme. Da gibt es auch irgendwelche Landkarten, wo man schauen kann, gibt es vielleicht schon Beispiele in der Nähe. Wir selber in Hessen haben das Hessische Zentrum für künstliche Intelligenz gegründet, was eben nicht nur reine Forschung darstellen soll, sondern die den Transfer in die Firmen, in Start-ups unterstützen möchte. Also ich glaube, wir müssen in Deutschland es irgendwie hinbekommen, nicht nur Netzwerke zu bauen, sondern endlich auch mal eine Partnerschaft zwischen Mittelstand, Industrie, Start-up, universitärer, aber auch außeruniversitärer Forschung hinzubekommen. Denn nur dann kriegen wir diese doch wahnsinnig große Transformation überhaupt hin. Aber das Schöne ist, dass wir wirklich gute Vorarbeiten haben. Also wir sind gut in der Grundlagenforschung, gut in der Anwendungsforschung, wenn ich an Fraunhofer, DFKI, Helmholtz denke. Wir haben Start-ups, wir haben den KI-Bundesverband, Netzwerke, die die zusammenbringen. Wir haben Netzwerke in der Forschung, die die tollen Forscher zusammenbringen. Wir haben also toll was vorgelegt. Jetzt müssen wir es nur noch hinkriegen, dass wir nicht wie in der Anfangszeit alle schreien „Ich, ich ich!“, sondern wir müssen zu dem „Wir!“ jetzt dazu kommen. Und dafür brauchen wir auch den Mittelstand. Der Mittelstand muss verstehen, dass sie Teil dieses Systems sind, ein essenzieller Teil, und eben diesen nächsten Schritt gehen muss, so dass wir insgesamt mehr bekommen. Es bringt einfach nix mehr, irgendwo zu warten, sondern wir müssen jetzt gemeinsam voranschreiten.

HT Sie haben jetzt einige KI-Ökosysteme und Netzwerke angesprochen. Sie sind ja beide auch im Beirat des KI-Campus, einer KI-Lernplattform, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Vielleicht nennen wir noch ein paar konkrete Beispiele, wo Mittelständler Hilfe finden können, um sich dem Thema KI zu nähern oder sich dazu fortzubilden.

VC Ich glaube, wichtig ist für KMUs vor allem der regionale Kontakt. Und ich glaube, das macht auch die Herausforderung aus für KI-Unternehmen; die sitzen maßgeblich in Berlin oder München, die KMUs sitzen eher in der Fläche. Aber es haben sich eigentlich in jedem Bundesland – also hessen.ai als ein Beispiel, Kristian Kersting sitzt ja in Darmstadt, wo es eben Ökosysteme vor Ort gibt, wo KMUs und alle im KI-Ökosystem zusammenkommen, wo man auch einfach die Berührungsängste mal abbauen kann, zu Veranstaltungen gehen kann, sein Netzwerk ausbauen kann einfach mal. Also dementsprechend, ich glaube die regionalen Ökosysteme sind da ganz entscheidend. Und da gibt's eigentlich wirklich in jedem Bundesland, von AI for Hamburg in Hamburg oder Maschinenraum in Berlin, Unternehmertum in München, gibt es in jedem Bundesland mittlerweile Ökosysteme, wo man sich hinwenden kann. Neben KI-Campus, was eben eine Lernplattform ist, wo man sich auch einfach mal zuhause jetzt in COVID-Zeiten halt fortbilden kann, gibt es auch die Lernplattform Elements of AI, was ich sehr empfehlen kann, von der Universität Helsinki, mittlerweile auch ins Deutsche übersetzt. Das ist ja auch ein wichtiger Punkt, dass es nicht immer nur englisches Material sein muss, sondern eben auch Deutsch. Ich glaube, das ist der Vorteil von diesen beiden Lernplattformen, dass die beide halt deutschsprachig sind und man sich dort halt auch niedrigschwellig auch mal nur fünf bis zehn Minuten fortbilden kann über Themen, die einen interessieren, auch für die Branche relevant sind. Und dann nicht zuletzt: KI-Bundesverband natürlich auch sehr, sehr gerne. Wir sind da als Intermediär quasi unterwegs. Wir haben die 400 KI-Unternehmen bei uns im Netzwerk. Wir können da gerne, wenn Sie soweit sind, identifiziert zu haben, das ist ein Problem, das wir mit Hilfe von KI lösen wollen, gerne auf uns zukommen, und wir teilen das mit unseren KI-Unternehmen. Die freuen sich wirklich sehr, auch deswegen insbesondere, weil ganz oft einfach gar nicht klar ist, was sind Ihre Probleme da draußen? Was ist das Problem, das ein KMU hat, und wie kann man helfen?

KK Genau! Also, es ist eben falsch, sich KI als so eine Blackbox vorzustellen, die ich irgendwo ranpflantsche, und dann wird alles gelöst. Man muss schon wissen, was man lösen möchte, um dann das richtige KI-Tool, das richtige KI-System auszuwählen oder meinetwegen dann auch neu zu designen. Deswegen neben dem KI-Campus, sollte man auch auf Bücher gucken. Neben dem Buch, was Sie schon sagten, was ich mit Studierenden geschrieben habe, wo es darum geht, irgendwie maschinelles Lernen möglichst einfach und in der Breite darzustellen, gibt es zum Beispiel aber auch von meiner Kollegin Ute Schmid Künstliche Intelligenz selber programmieren für Dummies. Also es gibt mittlerweile niedrigschwellige Angebote, so dass man keine Angst haben muss vor KI. Ich glaube, der erste Schritt ist wirklich, dass wir nicht mehr die elitäre Diskussion führen, sondern dass wir möglichst vielen was beibringen.

HT Man spricht ja auch gerne von der „dritten KI-Welle“. Können Sie uns einen Ausblick geben, was mit dieser dritten Welle technologisch da auf uns zukommt? Was kann mit KI in Zukunft noch möglich sein, noch mehr möglich sein? Zeichnen sich vielleicht auch schon gewisse KI-Trends ab?

KK Also die dritte Welle wird darum gehen, dass man Beobachtung mit Schlussfolgern, mit Denken, mit Weltwissen kombiniert. Das ist der erste Schritt darin. Der zweite ist, dass es doch Situationen gibt, die wir bei der Entwicklung dieses Systems nicht ganz bedacht haben. Dass das System erst einmal sagt: „Hm, das ist eine Situation, die kenne ich so noch nicht.“ Weil dann könnte das System zumindest mal den Menschen fragen: „Sag mal, was würdest du denn hier machen?“ Und das ist dann der dritte Teil, dieses ganz Wichtige: Wie können wir Mensch-Maschine-Kommunikation so gestalten, dass der Mensch immer wieder Feedback zu dem System geben kann, also das System nicht plötzlich komplett ausbrechen kann, sondern wir sind Herr der Lage und nicht die Maschine. Man möchte also menschliche Kommunikation und Denkfähigkeiten diesen Maschinen beibringen. Und dann kann man sogar noch einen Schritt weiterdenken. Was man aktuell sieht, sind große KI-Modelle, sogenannte Large Scale Language Models, also große Modelle, die mit Sprache irgendwie umgehen können. Und da erhoffen sich einige daraus, dass wir nicht mehr für einzelne Aufgaben die Systeme bauen müssen, sondern wir trainieren das einmal und können dieses trainierte System wiederverwenden, Und das ist so der aktuelle Trend, der dann auch in die Richtung geht: Könnte es vielleicht sein, dass diese Systeme menschenähnlicher zumindest werden? Da ist gerade ganz Spannendes, spannende Arbeiten unterwegs.

VC Ja, vielleicht ein paar Punkte, die mir an der Stelle noch einmal wichtig werden, wo ich glaube, es braucht auch noch einen Schub. Und da ist LEAM, Large European AI Models, sicherlich ein Punkt, wo wir auch daran forschen, ist das Thema: Wie schafft man es zum Beispiel, das Trainieren von KI-Modellen CO2-neutral zu gestalten? Das ist eine Frage, die glaube ich sehr viel, uns gerade als KI-Bundesverband oder uns auch als Europäische Union umtreibt, wo wir halt sehen, okay, da gibt es noch sehr viel Potenzial. Momentan ist KI sehr energiehungrig, oder es wird auch energiehungrig bleiben. Aber es ist halt die Frage, wie kann man trotzdem energieeffizient hier handeln und CO2-Neutralität in den KI-Bereich hereinbringen? Der zweite Punkt ist auch der von Bias und Verzerrungen. Wie schafft man es zum Beispiel auch, Modelle zu trainieren, wo eben Verzerrungen keinen großen Ausschlag mehr geben? Dass man eben Datensätze, die unvollkommen sind, auch ergänzt oder halt auch da quasi weiterkommt, da wirklich Bias und Verzerrungen auf null zu bringen oder zumindest zu reduzieren. Wir sehen auch, dass KI-Unternehmen in Deutschland zum Beispiel das Thema Ethik und wertebasierte KI sehr, sehr ernstnehmen. Da kommt man auch gar nicht dran vorbei. Also wenn wir auch gerade KMUs uns anschauen, denen ist es sehr, sehr wichtig, das heißt gerade in Kontakt mit KMUs ist glaube ich sehr wichtig, dass man darauf Antworten hat. Und da sind die KI-Lösungen aus Deutschland, aus Europa schon sehr weit.

KK Also ich stimme allem an sich zu. Ich muss an einer Stelle ein bisschen widersprechen. KI ist gar nicht so CO2-intensiv, wie das immer dargestellt wird, weil kaum einer in der Welt kann überhaupt diese großen Modelle trainieren. Und die Wiederverwendung: Da ist glaube ich jeder Streamingdienst schwieriger CO2-technisch als KI. Wenn ich das sage, trotzdem bin ich voll dabei: Wir sollten das nicht nur neutral machen, sondern am liebsten … wenn das überhaupt ginge, sozusagen, wir gewinnen damit sogar. Und das glaube ich nämlich, weil ich glaube, dass wir mit KI auch den Klimawandel sehr stark, also den Kampf gegen den Klimawandel angehen können. Nichtsdestotrotz tolle Herausforderung! Challenge accepted auch aus der internationalen KI-Community! Ganz tolle Forschung! Ein zweiter Punkt ist mit der Verzerrung: Ja, wir sollen Verzerrung, die, die wir gesellschaftlich nicht wollen, reduzieren. Aber ich möchte auch darauf hinweisen: Die Verzerrung kommt aktuell nicht aus der KI, sondern immer noch aus der Gesellschaft, weil es sind die Daten, die wir benutzen, um die Systeme zu trainieren. Und wenn man mich fragt, es ist noch wichtiger, die Verzerrung in der Gesellschaft endlich mal wegzubekommen. Es ist halt nur nochmal schwieriger. Trotzdem, natürlich können wir das bei KI-Systemen versuchen zu reduzieren. Nur Achtung! Es ist unklar, ob man das immer auf null herunterbekommt und auch auf null herunterbekommen möchte. Weil was eine Verzerrung ist, kommt auch auf die Perspektive an. Das heißt, was wir brauchen, und das wird in der EU ja auch gerade gemacht, ist ein Katalog: Was sehen wir als schlimme Verzerrung an? Und was sehen wir als weniger schlimme an? Und dieser Katalog muss auch immer wieder nachjustiert werden. Und auch dort brauchen wir die Kooperation aus Forschung, Mittelstand, Start-ups, weil nur das können wir gemeinsam entscheiden.

HT Stellen Sie sich zum Abschluss doch einmal vor, Sie leiten ein mittelständisches Unternehmen. Frau Cann, Herr Prof. Kersting, welches KI-Projekt würden Sie dann am liebsten umsetzen?

KK Ich glaube, ich würde zwei Dinge umsetzen. Ich würde zum einen einfach sagen, man kann auch mit Klimaschutz ein mittelständisches Unternehmen aufbauen, und ich würde das erste Unternehmen aufbauen, was KI benutzt, um die Implikationen des Klimawandels den Bürgerinnen und Bürgern, der Politik, meinen Kollegen in der Industrie näherzubringen, zu verbildlichen. Also ich würde Systeme bauen, die, gegeben ein Bild von meinem eigenen Haus, zeigen, wie die Überflutung dort den Schaden anrichten würde, die zeigen würden, was wäre nach dem Hagelsturm? Wie würde es dort aussehen? Und das Ganze … die Zukunft haptischer machen. Ich glaube, dass man damit sogar Geld verdienen kann. Aber ich werde ja jetzt mein Businessmodell Ihnen nicht freigeben. Das wäre das eine. Und das andere ist: Wir brauchen ein europäisches Open AI. Wir müssen einfach mal akzeptieren, dass man mit Grundlagentechnologie auch auf lange Sicht Geld verdienen kann. Dieser Herausforderung würde ich mich stellen.

VC Ich glaube, eher tatsächlich ist das Thema CO2-Neutralität, ich habe es ja gerade eben schon angesprochen, das große, denke ich, was auch den Mittelstand umtreiben muss. Es gibt natürlich … deswegen ist diese Frage so schwierig zu beantworten, weil es kommt natürlich total auf den Mittelständler an, in welcher Branche man unterwegs ist und so weiter. Aber ich glaube halt, das Thema Klimaneutralität ist wirklich eines, was alle umtreiben muss, wo KI – und das will ich noch einmal abschließend sagen, um meinem Punkt quasi auch da ein bisschen zu widersprechen: Am Anfang, klar, ist die Frage der Energieeffizienz bei KI schon da, aber KI kann auch einen extrem großen Beitrag dazu leisten, den Klimawandel zu stoppen oder die Auswirkungen zu reduzieren. Und genau da müssen wir quasi ansetzen. Und da wünsche ich mir auch von KMU-Seite sehr viel Tatkräftigkeit. Das ist glaube ich eine Sache, was KMUs in Deutschland schon lange auszeichnet, dass man diese Verantwortung mitbringt. Und ich glaube, das ist, was wir an unseren KMUs sehr schätzen in Deutschland. Und deswegen, auch da kann KI natürlich einen großen Impact haben.

HT Ganz herzlichen Dank! Das waren Vanessa Cann, Co-Geschäftsführerin des KI-Bundesverbands, und Prof. Kristian Kersting, KI-Forscher an der TU Darmstadt. Wir haben über die Chancen und Potenziale, aber auch über Limitationen von KI gesprochen. Vielen Dank an Sie beide!

KK Tschüss!

VC Tschüss, vielen Dank!

HT In dieser Staffel von Zukunft:digital haben wir die Chancen von Digitalisierung und Innovation für den Mittelstand diskutiert. Im Gespräch mit Expertinnen und Experten aus Forschung und Wirtschaft wurden dabei verschiedene Facetten beleuchtet: von der Beschleunigung der Digitalisierung durch die Corona-Pandemie, über die DSGVO bis hin zu den Potenzialen digitaler Technologien im Gesundheitswesen. Klar scheint: Für Unternehmen bietet die Digitalisierung viele Ansatzpunkte, um aktiv die Zukunft zu gestalten. Lassen Sie sich inspirieren und ergreifen Sie die Chance!

Das war Zukunft:digital – ein Podcast der KfW-Bankengruppe. Wollen auch Sie Digitalisierung und Innovation in Ihrem Unternehmen vorantreiben? Die KfW unterstützt Sie dabei – mit attraktiven Krediten und Förderzuschüssen. Erfahren Sie mehr auf kfw.de/digitalisieren.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.